Spiegelsberge: Ein erster Ausflug in den Frühling – und in die Vergangenheit

Harzletter, der Einhundertdreiunddreißigste.

Es wird wärmer, die Sonne scheint und tut richtig gut, und es zieht uns nach draußen. Noch nicht hin zu den längeren Wanderungen – erst einmal anschnuppern, eine kleinere Runde, eher Natur genießen als Kilometer machen. 

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Spiegelsberge am südlichen Rand von Halberstadt soll es sein. Spiegelsberge? Zum ersten Mal bin ich auf den Namen in einem Roman von Bernd Wolff gestoßen: „Im Labyrinth der Täler – Goethes zweite Harzreise“. Schon wieder Goethe? Ja, muss zwischendurch wieder mal sein, und diesmal auch ganz ohne Faust und Brocken, Hexen und Walpurgis.

Aber vor dem Blick in die Vergangenheit erst einmal die Gegenwart. Vom Stadtzentrum Halberstadt geht es ein Stück Richtung Süden, am Gelände des Kleingärtnervereins „Klusblick e.V.“ biege ich rechts ab und lande schon auf einem kostenfreien Parkplatz am Rande der Spiegelsberge. Die gehören zum Netzwerk der „Gartenträume Sachsen-Anhalt“, und das zeigt schon, dass es hier um mehr geht als ein bisschen Naherholung und Natur.

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Einfach mal den Anstieg hinauf und dann weitersehen.In den Baumgipfeln ist frisches Grün sichtbar, ein paar Obstbäume blühen bereits, um mich herum aufgeregtes Vogel-Gezwitscher. Ganz deutlich das Gefühl: Jetzt geht’s los! Der Winter ist abgehakt, endlich wird es Frühling. Ein Hauch von Osterspaziergang, auch wenn es bis dahin noch ein paar Tage hin sind.

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Das Angenehme: Man muss hier in den Spiegelsbergen gar nicht lange laufen, bis es was zu sehen und zu lesen gibt. Ich finde Erläuterungen generell immer toll. Eigentlich ist der gesamte Harz vollgestellt mir Erklärtafeln; sobald irgendetwas Besonderes den Weg kreuzt, baut einer der vielen Wandervereine oder irgendeine Behörde ein Schild daneben auf. In meinem Fall ist es das ehemalige Jagdschloss, erbaut von 1780 bis 1782, heute genutzt als Hotel und Gaststätte. Von dort oben hat man einen wunderbaren Blick weit über Halberstadt und dessen markante Kirchturmspitzen hinaus.

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Ein paar Schritte weiter tauchen eine Gedenksäule und der Aussichtspunkt Belvedere auf. Und damit die Frage: Was hat es mit diesen Spiegelsbergen auf sich?

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Namensgeber des Geländes ist Ernst Ludwig Freiherr von Spiegel zum Desenberg. Der lebte von 1711 bis 1785 und war Schöngeist, Rittergutsbesitzer und Domherr zu Halberstadt. Er verstand sich als Literaturfreund und -förderer und war eng mit Johann Wilhelm Ludwig Gleim, dem Namensgeber des Gleim-Hauses in Halberstadt befreundet. Da er nicht ganz unvermögend war und die Gestaltung von Parks und Gärten nach englischer Art damals schwer in Mode war, kam er auf die Idee, in Halberstadt einen Park auf eben diese englische Art anzulegen. Englisch hieß, im Gegensatz zu den streng symmetrischen französischen Schloß-Gartenanlagen eine Gestaltung, die lockerer und eher an die Natur angelehnt war. 

Von Kattfußberge zu Spiegelsberge

Der Freiherr erwarb 1761 eine Hügelkette südlich von Halberstadt, die Kattfußberge genannt wurde. Das Gelände war unbewaldet, es gab Gräser und Gestrüpp und es diente Schafherden als Weidefläche. 

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Zehn Jahre lang ließ Freiherr von Spiegel die Hügel umgestalten. Das was heute so naturbelassen aussieht, ist das Ergebnis ziemlich harter Arbeit. Es wurden vor allem Bäume gepflanzt und es entstanden nach und nach verschiedene Bauwerke. Zu denen gehörten der Aussichtsturm Belvedere, das Jagdschloss und das Mausoleum. 1771 wurde der Zugang zu dem Gelände für die Bevölkerung freigegeben – zu dieser Zeit eine fast revolutionäre Maßnahme. Gärten und Parks waren bis dahin fast ausschließlich eine Privatangelegenheit des Adels, das gemeine Volk durfte dort höchstens arbeiten.

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Natürlich sieht heute nicht mehr alles so aus, wie es Freiherr von Spiegel im Sinn hatte. Der imposante Bismarckturm ist 1907 dazu gekommen, am Rande der Anlage liegt ein sowjetischer Soldatenfriedhof, und manche Teile machen einen eher verwilderten Eindruck. Aber im wesentlichen ist es die inzwischen 250 Jahre alte Gartenanlage geblieben, die ein kunstsinniger Mensch im 18. Jahrhundert im Sinn hatte.

Man kann dort kilometerweit kreuz und quer herumlaufen und sich von Ausblicken, Grotten, Säulen und dem weißen Mausoleum des Freiherrn überraschen lassen. Auch für Kinder ist so eine Entdeckerrunde eine kleine Abenteuer-Tour: Man muss nicht kilometerweit laufen, um neue, spannende Objekte zu entdecken. Es bleibt kurzweilig, es gibt genug zu lernen und zu erfahren, man kann rumklettern, und bei klarer Sicht ist der Brocken vom Blankenburger Kopf aus fast in Reichweite.

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Und dann war da noch die Sache mit Goethe. Spiegel gab im September 1783 auf den Spiegelbergen ein Fest für die durchreisende Weimarer Herzogin Anna Amalia. Auch der braunschweigische Hof war anwesend und eben Johann Wolfgang Goethe, damals schon ein gefeierter Autor und gerade unterwegs auf seiner zweiten Harzreise. Dieser Goethe war für den Literatur-liebenden Freiherrn natürlich so etwas wie der Stargast – etwa so, als würde heute Taylor Swift bei einer Privat-Party erscheinen.

Blöderweise war der Dichter nicht sehr amused, ihm kam der ganze Halberstädter Literatur- und Freundschaftskult ziemlich provinziell vor, und er ließ es seine Gastgeber spüren. Bernd Wolff beschreibt das in seinem Buch hinreissend bildhaft und mit einiger dichterischer Freiheit – aber aus Goethes Briefen und Kommentaren ging ziemlich klar hervor, was er von dem festlichen Treiben auf den Spiegelbergen hielt. Er machte sich von Halberstadt ziemlich schnell Richtung Harzburg und Clausthal davon, um seinen eigenen Harz-Interessen, vor allem der Geologie, nachzugehen.

Nichtsdestotrotz blieben die Spiegelsberge bis heute zu Recht ein beliebtes Ausflugs-, Wander- oder Radfahr-Ziel. Da hat Freiher von Spiegel schon eine ziemlich gute Idee gehabt. Das Schöne: Nahe bei den Spiegelsbergen liegen die spektakulären Klusfelsen, und der Weg in die sehenswerte Halberstädter Innenstadt ist ebenfalls erfreulich kurz.

Vergangene Woche bereiteten wir uns auf Walpurgis, die Nacht der Nächte vor.

Hier besuchten wir das DDR-Museum in Thale.

Davor war ich im Bonhoeffer-Haus in Friedrichsbrunn.

Und dann waren da noch die Ergebnisse der Bundestagswahl im Harz.

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