Harzletter, der Einhundertachtunddreißigste.
80 Jahre Kriegsende – ein Pflichtdatum für die Medien. Zu Recht.
Seit Wochen wurde das Thema aufgearbeitet, besonders hervorzuheben ist die Infografik-Seite der Mitteldeutschen vom vorletzten Wochenende: informativ, detailliert, sehr gut gemacht.

Sie vermittelt einen Eindruck von Willkür und Verzweiflung in der Endphase des Zweiten Weltkriegs, als die meisten nur überleben wollten.
Ich habe Berichte zum 70. und 75. Jahrestag gelesen. Natürlich ähneln sie sich, denn Kriegsende ist Kriegsende. Es bleibt das Gefühl: Fast alles ist gesagt. Der Unterschied: Es gibt immer weniger Augenzeugen. Bald ist das Kriegsende 1945 nur noch aus zweiter Hand und in Dokumenten präsent.

Die Augenzeugenberichte über die Eroberung des Harzes durch die Amerikaner sind geschrieben, die Geschichte der sinnlosen Verteidigung und Bombardierung von Blankenburg ist bekannt. Ebenso die heldenhafte kampflose Übergabe Wernigerodes durch Oberst Gustav Petri, der deswegen am 12. April 1945 bei Drei Annen Hohne von der SS erschossen wurde.
Bekannt sind auch die lange verdrängten Todesmärsche durch den Harz.
Forschungsbedarf besteht weiterhin, und es bleibt die Frage, wie es mit dem Gedenken weitergeht. Nach 80 Jahren verblasst vieles, das Erschrecken über Krieg und Kriegsende relativiert sich. Gedenkfeiern und Leitartikel drohen zu Ritualen zu erstarren. Die immer gleichen Ermahnungen kennt man.
Das Kriegsende auf den Friedhöfen
Ich bin letzte Woche Friedhöfe in der Umgebung abgefahren. Fast auf jedem finden sich Soldatengräber mit Gefallenen der letzten Kriegstage. Im April 1945, als die Amerikaner in den Harz vorrückten, wurde auf deutscher Seite das letzte Aufgebot gegen einen übermächtigen Gegner ins Feuer geschickt.






Die Ergebnisse sind auf diesen Friedhöfen zu sehen: mal größere Formationen, mal ein paar Gräber am Rande, mal ein schlichtes: „Hier ruhen 18 deutsche Soldaten.“ Das Kriegsende wird greifbar, mit Namen, Geburts- und Todesdatum. Man ahnt das Ausmaß sinnlos weggeworfenen Lebens.

Es sind nicht nur Soldatengräber, sondern auch Gräber von KZ-Häftlingen, Zwangsarbeitern, Kriegsgefangenen und Opfern der Zivilbevölkerung, etwa durch die Bombardierung Blankenburgs am 20. April 1945.
Auf der Webseite der Stadt steht:
„Aus den Lebenserinnerungen des früheren Bürgermeisters Karl Zerbst und auch anderen Zeitzeugenberichten kann man entnehmen, dass als eine der letzten Maßnahmen zur Einschüchterung der Stadtbewohner in den Tagen unmittelbar vor dem Einmarsch der Alliierten am Rathaus ein Galgen aufgestellt wurde. Verbunden mit der Drohung, jeden daran aufzuhängen, der von einer Übergabe der Stadt zu reden wage. In der Kommandantur, die sich in einem Pensionshaus der damaligen Institutsstraße (heutige Gnauck-Kühne-Straße) befand, kündigte der circa 28-jährige Majorals Kommandant die Verteidigung der Stadt bis zum letzten Haus an. Dieser Einstellung fielen in den folgenden Tagen noch viele Menschenleben sinnlos zum Opfer.
Der Morgen des 20. April wurde von vielen Einwohnern als „Ruhe vor dem Sturm“ empfunden. Um 11.00 Uhr fielen die Bomben, die ca. 70 Menschen das Leben kosteten und fast ebenso viele Häuser zerstörten. Die Blankenburger Innenstadt stand in Flammen. Doch noch immer wurde keine weiße Fahne gehisst. Am Nachmittag überflogen erneut amerikanische Flugzeuge den Ort. Erst nach der erneuten Warnung der Amerikaner, die Stadt nun endlich zu übergeben, sonst würde Blankenburg mit einem dichteren Bombenteppich überzogen, wurde kein Widerstand mehr geleistet. Gegen 17.30 Uhr fand im Rathaus die Übergabe der Stadt an einen amerikanischen Offizier statt.“
Ganz zufällig findet man außerdem Grabsteine, auf denen Familientragödien sichtbar werden, wie der der Familie Herz auf dem Waldfriedhof in Blankenburg:

„Zum Gedächtnis unseres geliebten einzigen Kindes Leutnant Hans-Günther Herz, gefallen 1941 vor Kiew. “
Das Grab der Mutter, gestorben 1978, und des Vaters, gestorben 1951.
Die Familien-Geschichte dazu kann man sich vorstellen.
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Vergangene Woche war ich mit dem Motorrad von Mansfeld nach Seesen unterwegs.
Hier ging es um die Harzquerung von Wernigerode nach Nordhausen.
Davor gab es hier über den Kleinen Harz zu lesen.
Dann gab es noch den Landschaftspark Spiegelsberge und die Klusberge bei Halberstadt.
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