Harzletter, der Siebenundachtzigste.
Sie ist leuchtend weiß und gelb, es gibt sie nirgendwo sonst in Deutschland und wenn sie blüht, ist die Brocken-Anemone der unbestrittene Star auf dem höchsten Berg Norddeutschlands. Gerade ist es wieder soweit. Seit Mitte Mai ist der Brockengarten wieder für Führungen geöffnet und dort kann man das blumige Brocken-Wahrzeichen bis etwa Mitte Juli erleben.
Für Katja Osterloh, die Leiterin des Brockengartens, ist die Brocken-Anemone etwas ganz Besonderes. „Sie wächst nur hier oben“, sagt sie, „man kann sie nicht in anderen Lagen kultivieren. Das macht sie wirklich einzigartig.“ Das will bei rund 1.500 Pflanzen-Arten, die es im Brockengarten gibt, etwas heißen.
Der Brockengarten wurde 1890 angelegt
Dabei sieht der Brockengarten, der 1890 von dem Göttinger Naturforscher Albert Peter angelegt wurde, auf den ersten Blick nicht gerade spektakulär aus. Wer die Blüten-Kaskaden etwa einer Bundesgartenschau kennt, wird sich hier eher wie auf einem etwas vernachlässigtem Hinterhof fühlen. Moose, Flechten, zaghafte blasse Blüten, jede Menge größere und kleinere Steine. Aber genau das ist ja das Besondere und erschließt sich erst auf dem zweiten Blick.
Über dieses Besondere erzählt Katja Osterloh mit erkennbarer Begeisterung. Zum Beispiel über die Krautweide, den „kleinsten Baum der Welt.“ Zu sehen sind ein paar mickrige grüne Blättchen, die aber sehr interessant werden, wenn man erfährt, dass der verholzte Stamm und alles, was zu einem richtigen Baum dazugehört, unter der Erde wächst.
Poetische Pflanzennamen und überall blüht es
Attraktiver sind die verschiedenen Blüten. Neben der Brocken-Anemone sind gerade Enzian, Steinbrech, Gemswurz, Akelei, Stengelloses Leimkraut, und der Alpenhahnenfuß zu betrachten – und das ist längst nicht alles, was im Augenblick blüht.
Überhaupt diese Pflanzennamen, sie sind zum Teil reine Poesie. Wer kennt schon das Einköpfige Ferkelkraut, die Karpaten-Hundskamille, den Dalmatinischen Storchschnabel oder die Sägezähnige Teufelskralle? Gibt’s hier oben alles zu sehen.
Der Brockengarten wurde angelegt, um Hochgebirgspflanzen aus der ganzen Welt zu sammeln und ihre Anpassungsfähigkeit zu beobachten. Auf dem Berg herrscht bekanntlich ein raues Klima – heftiger Wind, niedrige Temperaturen und reichlich Nebel sind Standard. Die natürliche Baumgrenze verläuft knapp unterhalb der Gipfelhöhe von 1142 Metern. Da wundert es nicht, dass die Hemlock-Tanne, die in Amerika normalerweise 30 bis 40 Meter hoch wächst, seit ihrer Anpflanzung vor rund 130 Jahren gerade mal kümmerliche 3,5 Meter Höhe erreicht hat.
Insgesamt erstreckt sich der Brockengarten – gleich neben der Wetterstation gelegen – über 4600 Quadratmeter, davon ist knapp die Hälfte der sogenannte Schaugarten. Wenn man ihn betritt, sieht man vor allem Unmengen von weißen Schildchen; auch das kleinste Gewächs ist säuberlich beschriftet und kategorisiert. Schließlich ist er kein öffentlicher Park, sondern dient der Wissenschaft. Man kann ihn deswegen nur im Rahmen einer kostenlosen Führung täglich um 11:30 und 14 Uhr betreten.
Der heutige Zustand: ein kleines Wunder
Dass er heute so gepflegt und artenreich dasteht, ist ein kleines Wunder. Mehrfach wurde er nach seiner Anlage nicht bewirtschaftet: Als Folge der Weltkriege lag er zwischen 1914 und 1934 und zwischen 1945 und 1950 brach. Als der Brocken im Kalten Krieg militärisches Sperrgebiet war, wurde der Brockengarten zwischen 1971 und 1990 sich selbst überlassen. Nur etwa 100 der 1400 Arten überstanden diese Zeit, alles musste mühsamst neu aufgebaut und angepflanzt werden.
Katja Osterloh ist inzwischen an einer ihrer Lieblingsstellen angelangt: einem künstlich angelegten Mini-Moor. Typische Harzer Moorpflanzen sind dazu zusammengetragen worden – und auch hier kann die Brockengarten-Leiterin mit ihrer Begeisterung die eher unscheinbaren Bewachsung zum Leben erwecken. Was hängen bleibt: Moore sind ganz besondere Lebensräume und unbedingt schützenswert.
Seit Juli vergangenen Jahres ist Katja Osterloh Leiterin des Brockengartens. Zusammen mit zwei weiteren Angestellten des Nationalparks kümmert sie sich um Bepflanzung, Pflege und Dokumentation. „Leider kann ich nur etwa zwei Tage pro Woche hier oben sein“, erzählt sie. Die meiste Arbeitszeit verbringt sie im Nationalpark-Büro in Wernigerode. Kartierung, Statistik – mit dem Brockengarten und ist auch eine Menge Bürokratie und Schreibarbeit verbunden. Zumal sie nicht nur für den Garten, sondern für den Bereich Naturschutz im gesamten Nationalpark zuständig ist.
Das gehört dazu; wenn man sie fragt, ob ihre Arbeit ein Traumjob sei, kommt heftiges Nicken: „Hier will ich nie mehr weg.“
Demnächst kommt eine schöne Aufgabe auf die Gärtner-Crew zu: die Brocken-Anemonen müssen gezählt werden. Die Zeiten, als sie blühend fast den gesamten Gipfel bedeckten, sind lange vorbei – heute ist sie streng geschützt und wird genau beobachtet. Man darf sie auf keinen Fall pflücken.
„Und wenn ich es doch einmal tue?“
„Dann bekommen Sie ganz schnell ein Problem mit mir.“
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Von Walpurgis in Heimburg und die Aufräumaktion im Waldseebad ist hier die Rede.
Hier geht es um die anstrengende, schöne Harzquerung.
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Auf Instagram findet der Harzletter übrigens auch statt: www.instagram.com/harzletter.de/