Harzletter, der Einhundertzwölfte
Friederike Caroline Neuber. Nie gehört? Das ging mir genauso. Aber da ich von Amts wegen neugierig bin, fiel mir neulich, als ich das Große Schloss in Blankenburg besuchte, ein Straßenschild auf. Unmittelbar am Zugang zum Schloss gibt es dort die Friederike-Caroline-Neubert-Straße. Darunter der Zusatz: „Friederike Caroline Neuber, genannt die Neuberin (1697-1760) Erste deutsche Schauspielerin, Principalin und Theaterreformerin. Ihre Karriere begann auf dem Großen Schloss Blankenburg.“
Das möchte man doch genauer wissen. Vor allem „erste deutsche Schauspielerin“ klingt spannend. Dass ein 1. FC Magdeburg-Fan auf das Schild einen Aufkleber „der Glaube, die Propheten“ geklebt hat, ist ebenfalls bemerkenswert, aber das ist eine andere Geschichte (demnächst will ich hier auch über Harz-Fußball schreiben; wird ja langsam Zeit).
Was hat es aber nun mit Frau Neuber, oder der Neuberin, wie sie allgemein genannt wurde, auf sich? Und wo kommt Schloss Blankenburg ins Spiel?
Die beste und umfassendste Information dazu liefert die Webseite der Friederike-Caroline-Neuber-Stiftung, die in Blankenburg ansässig ist. Da ich eher faul bin und die Texte auf der Seite gut geschrieben sind, zitiere ich einfach:
„Friederike Caroline Neuber, genannt die Neuberin (1697-1760), war eine der herausragendsten Frauengestalten der Zeit der Frühaufklärung. Als erste deutsche Schauspielerin und Prinzipalin war sie die Wegbereiterin des deutschen Theaters vom Jahrmarktvergnügen zum Drama.
Die Neuberin und ihre Reformbestrebungen
Blankenburg nahm durch die Unterstützung ihrer Reformbestrebungen durch Herzog Ludwig Rudolph und Herzogin Christine Luise einen wesentlichen Platz in ihrer Entwicklung ein. Diese Startfunktion ist bisher von Historikern übersehen worden. Anlaß genug, diese Bedeutung von Blankenburg der Öffentlichkeit bewusst zu machen.
Und so kam es anlässlich des 320. Geburtstages der Neuberin im Rahmen einer szenischen Lesung am 11. März 2017 zur Gründung der Stiftung, die ihren Namen trägt. Zu den Gründungsmitgliedern gehören Dr. Evelin Wittich, Gero Hammer, Christiane Proepper und Hilde Thoms als Stifterin.Die Stiftung möchte Caroline Neuber in Blankenburg und dem nahen Harzkreis dauerhaft einen Ehrenplatz einräumen.“
Theater war im 18. Jahrhundert ein echtes Volksvergnügen quer durch alle Gesellschaftsschichten. Sowohl bei Hofe als auch auf den Jahrmärkten, wo es dann entsprechend derb zuging. Beliebteste Figur auf den öffentlichen Bühnen war der Hanswurst, der die Zuschauer mit frechen Sprüchen, Hohn und Spott unterhielt. Theateraufführungen zur damaligen Zeit waren mit denen heute nicht zu vergleichen: Man kam und ging, wie es beliebte, unterhielt sich, essen und trinken waren während der Vorstellung normal, und lautes Dazwischenrufen war nichts Ungewöhnliches.
Hinzu kam das schlechte Image der Schauspieltruppen: „Die Schauspieler, vor allem Fahrende Komödianten, führten eine gesellschaftlich verachtete Existenz, galten beim Volk als schmutzige Menschen mit derben Umgangsformen und waren materiell verarmt. Nicht selten wurde ihnen die Schuld zugeschrieben, wenn die Stadt von Katastrophen wie Pest, Krieg oder Missernten heimgesucht wurde. Das Bildungsbürgertum wollte nichts mit den Schauspielern zu tun haben.“ (zitiert nach Wikipedia)
Das Besondere an der Neuberin: Sie war zum einen eine begnadete Schauspielerin, zum anderen hatte sie feste Vorstellungen über das Theater, sie konnte organisieren und sie hatte Gönner, die sie unterstützten. Hier kommen Blankenburg und der damalige Herzog Ludwig Rudolph ins Spiel.
Der war ein großer Theater-Liebhaber, und unterhielt im Schloss Blankenburg ein kleines Schauspielhaus, das Komödienhaus auf der Südseite des Schlosses. Im Herbst 1717 berief Herzog Ludwig Rudolph die Spiegelbergsche Komödiantentruppe nach Blankenburg, und hier stand Friederike Caroline Neuber am 22. November erstmalig auf der Bühne – mit so großem Erfolg, dass sie weiter vom Herzog unterstützt wurde.
Zusammen mit Johann Neuber war sie 1716 dem Elternhaus entflohen und dieser Truppe im Sommer des gleichen Jahres erst beigetreten. Ihr Schauspieltalent sowie ihre Wünsche nach Verbesserung der Theaterkunst wurden vom kunstfreudigen Herzog sofort erkannt. Die Spiegelbergs gastierten über Winter 1717/1718 für mehrere Monate im Schloß, bis sie zur Wintermesse nach Braunschweig aufbrachen.
Der Herzog verfügte die Trauung
Hier verfügte Ludwig Rudolph die Trauung von Friederike Caroline und Johann Neuber am 5. Februar 1718 in der Domkirche St. Blasii, stattgefunden mit „hoher Genehmhaltung“ in Gegenwart des gesamten Hofstaates. Die Zeiten waren anders damals und geheiratet wurde nicht nur aus Liebe und nach eigener Wahl. Die Neuber-Trauung unter Teilnahme des Blankenburger Hofes war eine außergewöhnliche Angelegenheit, zumal Komödianten von Seiten der Kirche dazu eigentlich nicht würdig waren. Aber die Eheschließung war eine wichtige Voraussetzung für die Neuberin, um in der Gesellschaft überhaupt auftreten zu können.
In der Zeit von 1718-1726 blieb die Neuberin mit Herzog Ludwig Rudolf in Verbindung, auch wenn sie zwischenzeitlich zur Haakschen Truppe wechselte. 1727 war sie dann erstmalig als Prinzipalin mit ihrer eigenen Gesellschaft wieder in Blankenburg. Der Herzog überließ ihr vier französische Stücke in den alten Wolfenbütteler Übersetzungen, er wollte den Reformwillen der Neuberin unbedingt unterstützen. Auf Schloss Blankenburg ist ein Gemälde, dass sie inmitten ihrer Schauspieler zeigt, zufällig wieder entdeckt und restauriert worden und hängt jetzt wieder an seinem ursprünglichem Platz im Schloss.
Bei dieser Reform ging es vor allem darum, das Theater und die Schauspielerei zu einer ernsthaften und geachteten Angelegenheit zu machen. Keine Hanswurstereien mehr, sondern „seriöses“ Theater mit werkgetreuen Aufführungen ernsthafter Stücke. Das gefiel natürlich den Dichtern und Aufklärern – das Volk rief allerdings weiter nach Belustigung und derben Scherzen.
Die angefeindete neubersche Schauspiel-Truppe
Deswegen ging die Truppe der Neuberin auch mehrfach Pleite, sie selbst wurde angefeindet und hatte es nicht leicht, für ihre Kunst Unterstützung zu finden. Letztendlich gilt Friederike Caroline Neubert aber als erste „richtige“ Schauspielerin und als große Reformatorin der deutschen Theaterschauspielerei. Und angefangen beziehungsweise unterstützt wurde das alles in Blankenburg.
Ist doch eine tolle Harz-Geschichte – und wenn Sie das nächste Mal zum Großen Schloss hinaufgehen und das Straßenschild sehen, denken Sie vielleicht an diese energische Frau, die von Blankenburg aus die Schauspielwelt dauerhaft veränderte.
Denn es gibt heute zwar weiterhin Hanswurste, aber die sind eher selten im Theater zu finden.
In Reichenbach im Vogtland, wo sie 1697 geboren wurde, gibt es ein sehr schönes, besuchenswertes Neuberin-Museum, außerdem steht in Dresden-Laubegast ein kleines feines Caroline-Neuber-Denkmal. Vielleicht reicht es in Blankenburg irgendwann für mehr als ein Straßenschild. Verdient hätte die Neuberin es allemal.
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Vergangene Woche ging es um die Aktion Wir im Harz.
Dann wanderten wir mit dem Nationalpark-Ranger von Drei Annen Hohne zur Leistenklippe.
Davor ging es um einen Harz-Reiseführer von 1890.
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