Harzletter, der Fünfundachtzigste.
Kurzer Rückblick auf Walpurgis: Ich bin ja dem Geheimtipp Heimburg gefolgt.
„Höllisch gutes Liebescoaching“ war als Theateraufführung auf dem Heimburger Schützenplatz angekündigt. Dazu das übliche Walpurgis-Drumherum: Reichlich Hexen, verkleidete Kinder, natürlich Essen & Trinken.
Das Schützenhaus am Ortsrand von Heimburg war nett hergerichtet, der Heimburger Carnevals Club hatte sich als Veranstalter wirklich alle Mühe gegeben. Und so traf man sich an einem lauen Abend, geschätzt rund 400 Menschen waren gekommen, man aß und trank und redete und wartete zunehmend ungeduldig auf das angekündigte Spektakel.
Das fing dann gegen 21:30 Uhr irgendwie auch an – und, tja, wie sag ich’s?
Meine Erwartungen waren nicht besonders hoch: ein bisschen Unterhaltung, vielleicht auch etwas Spuk und Grusel, Sagengeraune und natürlich Liebescoaching. Aber diese tiefgelegten Hoffnungen wurde leider deutlich unterboten.
Es begann mit dem Einführungsvortrag der Sprecherin: Ellenlang und ausführlichst wurde gefühlt jedem Feuerwehrmann und allen irgendwie Beteiligten gedankt. Ist ja nett, aber auch ermüdend. Dann folgten Erläuterungen, warum die Bühne nicht gerade optimal sei, gefolgt von Abfragen einzelner Zuschauer, woher sie den kommen. („Oh, Blankenburg, das ist ja ganz toll.“)
Nicht nur insgeheim dachte man: „Mädel, komm zum Ende, wir wollten hier in Heimburg eigentlich was sehen.“
Als es dann doch losging, stellte sich heraus, dass der Ton schlicht katastrophal war. Manche der Akteure waren zu hören, mehrere nicht, einige teils, teils. Zwischendurch gern auch lautes Gequietsche.
Ilse und Bodo in Heimburg auf der Bühne
Nun zum Stück selbst. Folgendes war laut Pressetext angedacht: „Vormals sollen im Harz gewaltige und furchterregende Riesen gelebt haben. Einer von ihnen, namens Bodo, begehrte die bildschöne Königstochter Ilse. Doch diese erwiderte seine Liebe nicht. Da muss sich Bodo doch Hilfe in Form eines höllischen Liebescoaching bei den dunklen Mächten holen. Aber ob ihm das hilft und wie diese tragische Liebesgeschichte sich weiterspinnt, das steht noch in den Sternen. Ob das ein gutes Ende nimmt? …“
Soweit, so klar. Bildschöne Königstochter, furchterregender Riese, dazu der heimliche Geliebte, die ehrgeizigen Eltern und die Mächte des Bösen – daraus lässt sich schon eine knackige Geschichte stricken. Aber an knackig war in Heimburg nicht zu denken, es ging eher umständlich hin und her. Auch hier immer mal wieder der Gedanke: „Kommt zu Potte.“ Vor allem, als Ilse und ihr Geliebter Helmut auf ihrer Flucht mit ihren putzigen Holzpferdchen minutenlang auf der Bühne ziellos hin und her irrten und den vermeintlichen Gag mit dem Navi arg strapazierten.
Halb soviel Text, und den technisch verständlich aufsagen – das wäre schon mal was gewesen. Dann eventuell noch eine Dramaturgie, die nicht irgendwie alles mögliche in das Stück reinpressen will, sondern die Geschichte voran treibt, und zu einem wirklichen Ende bringt – und schon wäre Walpurgis in Heimburg ein Highlight gewesen.
So blieben als positive Eindrücke hängen: die niedlichen Kinderteufel, die tapfer Schilder wie „Hölle“ hochhielten, die aufwändigen Kostüme und die gelungenen Lichteffekte. Und von den Darstellern Carmen Schmidt als „Bodo“, der zwar alles andere als furchterregend und schon gar kein Riese war, aber in seiner Tollpatschigkeit mit viel Herzblut und erheblichem Talent gespielt wurde.
Das Ende kam dann erfreulich abrupt – alles bewegte sich rüber zum Walpurgisfeuer, wo die Feuerwehr ihres Amtes waltete.
Und im nächsten Jahr werde ich dann wohl statt in Heimburg in Stiege sein – der Teufel auf dem See samt anschließendem Feuerwerk klingt irgendwie spektakulärer. Langatmig und bemüht hatte ich jetzt schon in Heimburg.
Subbotnik im Waldseebad
Was macht man, wenn es im Ort ein schönes, altes, leicht in die Jahre gekommenes Schwimmbad gibt, das der Stadt gehört, die aber kein Geld hat, das instand zu halten?
Genau: Man packt selbst an.
Und so war am 4. Mai kurz vor Saison-Eröffnung ein großer Putz- und Aufräumtag im Waldseebad Hasselfelde angesetzt. Und da ich dort den ganzen Winter über gemeinsam mit den Eisperlen eintauchen durfte (siehe hier), war ich selbstverständlich dabei.
Gut 50 Frauen und Männer werkelten seit dem Samstag-Vormittag herum, Kinder wuselten umeinander, es gab natürlich ein erstklassiges Kaffee- und Kuchen-Buffet. Und falls jemand demnächst in einigen Umkleidekabinen die neuen Eins-A-Haken auffallen sollten: Die habe ich angebracht. Außerdem durfte ich noch ein bisschen fegen und Abfall beseitigen und möglichst nicht im Weg rumstehen.
Mit anderen Worten: Es war nicht besonders anstrengend. Dafür lustig; und die neue Badesaison kann jetzt kommen. Unbedingt erwähnenswert als neues Highlight: die selbst gebauten Strandkörbe. So sieht Eigeninitiative aus.
Aber – das gehört zur ganzen Wahrheit auch dazu: Es ist eigentlich ein Unding, dass so ein schönes, historisches, fast 100 Jahre altes Waldschwimmbad (mit Fünf-Meter-Sprungturm!) langsam vor sich hin rottet und mühsam benutzbar gehalten wird. Die hölzernen Umkleidekabinen bräuchten dringend einen neuen Anstrich, besser noch eine fachmännische Ausbesserung. Holz ist vergänglich, das kann man dort an allen Ecken und Enden beobachten. Und es wäre keine Raketentechnik, das wieder vernünftig in Stand zu setzen. Freiwille Hilfsdienste sind schön und gut für den Gemeinsinn, aber irgendwoher müssten auch die Euros für eine wirkliche Sanierung kommen.
Das Bad wäre es allemal wert – ich kenne genügend Leute, die sehr empfänglich wären für den idyllischen Charme dieser historischen Badeanstalt. Muss man halt mal machen und dann richtig vermarkten.
Alles blaun in Sachsen-Anhalt?
Wer jetzt durch die Dörfer des östlichen Harzes fährt, dem fällt sofort auf: An gefühlt jedem Laternenpfahl ein Plakat der Partei mit den einfachen Rezepten. „Festung Europa“, „Sozialbetrug stoppen“, „Ihr hattet Jahrzehnte Zeit“ bellt es einem mit vielen Ausrufezeichen unaufhörlich entgegen. Und da das wirklich in jedem Ort so ist und alle übrigen Parteien ziemlich spärlich oder überhaupt noch nicht präsent sind, kommt die Frage auf: Woher nehmen die das Geld? Das kostet richtig.
Bis zur Europawahl vom 6. bis 9. Juni ist es noch ein bisschen hin, das wird sich also insgesamt noch steigern. Aber wer jetzt schon derart klotzt, scheint zumindest große Pläne und viel Zuversicht zu haben. Am 9. Juni sind in Sachsen-Anhalt übrigens gleichzeitig Kommunalwahlen, dann geht es also nicht nur um ein fernes Europa, sondern auch um den Einfluss vor Ort.
Bleibt spannend, auch wegen der diversen Vorkommnisse (Dresden! China!); ich werde die Augen offen halten.
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Hier geht es um die anstrengende, schöne Harzquerung.
Eine Motorrad-Tour zum Kyffhäuser wird hier beschrieben.
Von dem Beinahe-Sterne-Restaurant Kiku ist hier die Rede.
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Auf Instagram findet der Harzletter übrigens auch statt: www.instagram.com/harzletter.de/