Mit dem Motorrad zu Thomas Müntzer und dem Panorama-Museum in Bad Frankenhausen

Harzletter, der Einhundertsiebenundvierzigste.

Drei ältere Herren – Peter, Franz und ich – machten sich an einem angenehmen und trockenen Tag auf den Weg. Unser Plan: eine Motorradtour mit Kulturprogramm. Richtung Bad Frankenhausen, hin zum Panorama-Museum und zu Thomas Müntzer. Über Harzgerode, Wippra und Sangerhausen ging es ins thüringische Kelbra, auf fast leeren Straßen und durch traumhafte Kurvenlandschaften.

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In Kelbra beginnt ein echter Klassiker unter Motorradstrecken: die Auffahrt über 36 Kehren hinauf zum Kyffhäuser. Am Fuße des Anstiegs: das bekannte Café 36, Treffpunkt für Biker aller Art – von Rennmaschine bis Simson. Wer hier samstags sitzt, sieht alles, was zwei Räder hat.

Wir haben natürlich gestoppt. Das Schauspiel muss man mitnehmen. Die anschließende Fahrt nach oben inklusive Abstecher zum Kyffhäuser-Denkmal ist dann gar nicht so spektakulär. Vor allem, wenn man hinter einem Lieferwagen festhängt.

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Von oben sind es dann noch gut 20 Kilometer nach Bad Frankenhausen und jetzt wird’s historisch. Das dortige Panorama-Museum (Foto oben: H. Stolze) und das riesige Gemälde darin sind nicht nur eine Erinnerung an Bauernkrieg und Thomas Müntzer, sondern auch spannendes Stück DDR-Geschichte. Ich kann das hier nicht alles wiedergeben; es lohnt sich, den umfangreichen Wikipedia-Artikel zum Entstehen des Museums und zu den Auseinandersetzungen zwischen Werner Tübke und den DDR-Mächtigen um sein Kunstwerk zu lesen.

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Zu dem Foto: Werner Tübke (links) präsentiert die 1:10-Version des Bauernkriegspanoramas Mitgliedern des Politbüros 1982 im Albertinum. Zu sehen sind unter anderem Margot Honecker (2.v.l.), Joachim Herrmann (3.v.l.) und Prof. Dr. Lothar Kolditz (r.), Willi Stoph (2.v.r.). Copyright: Bundesarchiv.

Thomas Müntzer im Mittelpunkt

Das Museum selbst ist ein architektonischer Sonderfall, von der Bevölkerung einst „Elefantenklo“ getauft. Es steht auf dem Schlachtberg; genau hier fand vor 500 Jahren das Gemetzel statt. Es wurde in der DDR eigens für das gigantisches Rundgemälde gebaut, das Werner Tübke zwischen 1983 und 1987 schuf:

  • 123 Meter lang14 Meter hoch,
  • über 3.000 Figuren,
  • rund 1.100 kg schwere Leinwand,
  • 1.722 m² Gesamtfläche.

Der Effekt beim Betreten ist wie im Theater: dunkles Treppenhaus, dann öffnet sich eine Tür – und man steht mitten in einem überwältigenden Panorama. Der Audio-Guide ist ein Muss, sonst geht man in der Bilderflut unter.

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Und Thomas Müntzer, die zentrale Person damals und auf dem Museums-Bild? War ein Harzer durch und durch. Geboren in Stolberg (1489 oder 1490), als Kind in Quedlinburg gelebt, nach seinem Theologiestudium in Leipzig und Frankfurt/Oder in Halberstadt zum Priester geweiht. Sein erstes kirchliches Amt war in Braunschweig an St. Michaelis (1514). 

Müntzer war ein Anhänger der Reformation – zeitweise gemeinsam mit Martin Luther. Später radikalisierte er sich, wurde Anführer der rebellischen Bauern und der große Verlierer der entscheidenden Schlacht 1525 bei Bad Frankenhausen. Dort wurde er gefangen genommen, gefoltert und ein paar Tage später hingerichtet. Das war es dann mit dem Bauernaufstand und den Rufen nach Fryheit und Gerechtigkeyt.

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Das Panorama-Museum ist außerdem ein letztes Zucken des untergehenden DDR-Staates. Am 14. September 1989, anlässlich des 40. Jahrestages der Republik eröffnet, war diese Republik schon ein paar Wochen später am Ende.

Wir sind nach knapp zwei Stunden Panorama-Gucken auch ziemlich am Ende. Dabei kann man dort locker viel mehr Zeit verbringen; es gibt ununterbrochen neue Details zu entdecken.

Zweiter Stop in Stolberg

Auf der Tour zurück ging es natürlich durch Stolberg; die Thomas-Müntzer-Stadt gehörte einfach dazu und ist sowieso immer einen Besuch wert. Beeindruckend das Müntzer-Denkmal im Zentrum, genauso beeindruckend die Fachwerkidylle inklusive Schloß hoch über allem.

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Thomas Müntzer war ein Säulenheiliger der DDR, sein Kopf zierte den Fünf-Ostmark-Schein, er passte gut ins realsozialistische Geschichtsverständnis und wurde entsprechend gefeiert. Abgesehen davon ist der Bauernaufstand – nicht nur in Thüringen – eine krasse und immer noch zu wenig bekannte Geschichte. Fun-Fact am Rande: Die Regenbogenfahne (genau die, die nicht auf dem Bundestag wehen sollte) ist eine Erfindung der aufständischen Bauern. Mit ihr zogen Thomas Müntzer und seine Anhänger vor 500 Jahren in die verlorene Schlacht bei Bad Frankenhausen.



Vergangene Woche besuchten wir die Alte Elementarschule in Gernrode.

Davor gab es den ersten Teil über die Stiftskirche in Gernrode – und eine klare Café-Empfehlung.

Hier ging es um Fontane, Cécile und das Hotel Zehnpfund in Thale.

Und dann waren da noch zwei Harzer Badeseen.

Alles über die stürmische Premiere des Walpurga-Musicals im Harzer Bergtheater.

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