Harzletter, der Einhundertachtundvierzigste.
Wandertag! Wenn nicht jetzt, wann dann?
Es ist Sommer, das Wetter passt – also raus. Eine mittelschwere Klippenrunde entlang des Okertals soll es sein. Gut erreichbar, gut machbar. Unsere Erwartung: Wandern mit Aussicht, Felsen wie gestapelte Kissen, ein Wasserfall und ein Hauch Monarchie.

Los geht es beim „Waldhaus im Okertal“. Das liegt etwas außerhalb des gleichnamigen Ortes und es gibt gleich hinter der Okerbrücke ausreichend kostenlose Parkplätze. Wir sind als Sechsergruppe unterwegs, die meisten sind aus Braunschweig angereist.
Die Tour, die wir vorhaben, ist gut ausgeschildert, nicht gerade ein Geheimtipp, aber keinesfalls überlaufen. Weg von der Oker den Berg hinauf: Langsam, stetig, ein breite Schotterweg zum Eingewöhnen. Es ist 25 Grad warm – unter den Laubbäumen fühlt es sich kühler an – kein Wind und ziemlich schwül. Erste Schweißperlen, das gehört dazu, da wird noch mehr kommen.
Als erstes kommt die Kamelsklippe
Nach rund 20 Minuten eine erste Unterbrechung: die Kamelsklippe kommt in Sicht. Wir schauen sie uns natürlich näher an, klettern ein bisschen herum – aber, wie wir später feststellen, ist sie nichts Besonders. Auf einer langen Wikipedia-Liste ausgesuchter Harzklippen taucht sie nicht auf. Kein Problem; wir sind ja hier, um die Natur zu erleben, nicht um irgendwelche Highlights abzuklappern.

Die bald folgende Ziegenrückenklippe hat da schon mehr zu bieten – von hier gibt es einen ersten spektakulären Blick ins Okertal und weit hinaus ins Harzvorland.
Jetzt ein kleiner Einschub zu den Klippen im Harz – geklaut von der Webseite des Nationalparks. Dort heißt es:
„An zahlreichen Orten im Harz wirken die Felsen wie von Geisterhand zusammengesetzt. Gesteinsblöcke mit runden Kanten liegen wie gestapelte Kissen oder Wollsäcke übereinander. Bei dieser sogenannten Wollsackverwitterung hat jedoch keine Harzer Sagengestalt, sondern die Natur ihre Hände im Spiel. Regenwasser und huminsäurereiches Bodenwasser dringen in das Gestein ein und zersetzen dort Mineralien. Den Rissen im Gestein folgend, sprengt bei Frost gefrierendes Wasser die Blöcke auseinander. So bleiben sie wie gestapelt liegen und rollen irgendwann hangabwärts. Über die Jahrtausende entstanden dadurch neben den Felsen auch Blockmeere, Felsschutthalden und Blockhalden.“
Wollsackverwitterung ist eins meiner Harzer Lieblingswörter, was Huminsäure ist, weiß ich nicht, ist aber auch egal. Weiter geht’s mit einem kleinen Schlenker:
„In Mitteleuropa sind Blockhalden außerhalb der Alpen höchst selten und ein ausgesprochen spannender Lebensraum. Sie bestehen aus mindestens kopfgroßen Steinblöcken, die an verhältnismäßig steilen Hängen mit einem Neigungswinkel von mindestens fünfundzwanzig Grad lagern. Bei der Bildung der Blockhalden waren starke Naturkräfte am Werk. Nach der letzten Eiszeit sprengten Frost und Wasser die ursprünglichen Felsen in immer kleinere Brocken. Regen wusch feines Verwitterungsmaterial ständig aus. So entstand über 10.000 Jahre ein Lebensraum mit einem charakteristischen Lückensystem und erstaunlichem Mikroklima.“
Im Harz finden sich Blockhalden am Brocken, am Achtermann, bei den Hahnenkleeklippen und der Wolfswarte – werde ich vielleicht beim nächsten Mal anlaufen.
Am Treppenstein wird es spektakulär
Vorläufig begnügen wir uns mit den Klippen und den Wollsäcken und als Nächstes wird’s beim „Treppenstein“ wirklich spektakulär. Ihn kann man relativ mühelos über eingeschlagene Treppenstufen besteigen. Natürlich ist der Ausblick überragend. Und nur folgerichtig, dass es hier eine Stempelstelle der Harzer Wandernadel gibt (Nummer 117).

Dann wird es heftig. Ein unscheinbares Schild weist auf den Weg zu den Kästeklippen hin: „Sehr steil und rustikal“. Ich weiß nicht, was „rustikal“ bedeutet, auf jeden Fall geht es einen Trampelpfad nach oben. Steil nach oben. Machbar, aber es zieht sich, Erleichterung in unserer Gruppe, als der Pfad in einen angenehmeren Schotterweg mündet. Die Kästeklippen (Wollsackverwitterung, was sonst) bilden den Gipfel des Huthbergs, der 604 Meter hoch liegt.

Sie sind offensichtlich beliebt; während wir auf unserem bisherigen Weg kaum anderen Wanderern begegnet sind, treffen wir hier gleich mehrere, die dieselbe Idee wie wir hatten. Pause, sitzen, gucken – schön hier.
Nach den Klippen absteigen ins Okertal
Der Abstieg ist einfach; immer den Schilder Richtung Romkerhalle zurück ins Tal folgen. Doch ein optisch spektakulärer Punkt kommt noch. Die „Mausefalle“ wird ihrem Namen wirklich gerecht. Ein schwerer Felsbrocken liegt auf einem ziemlich schmalen aufrecht stehenden Stein auf – das wirkt alles andere als stabil. Wir sehen uns das einigermaßen respektvoll an und beobachten staunend andere Wanderer, die entspannt genau unter und zwischen diesen Steinen herumklettern.


Nichts für uns, es geht weiter und vorbei am Romkerhaller Wasserfall – der oben nur ein besseres Rinnsaal ist – steil nach unten ins Okertal.
Dort stoßen wir auf den Gasthof Romkerhalle, der sich selbst als „kleinstes Königreich der Welt“ bezeichnet. Wer jetzt spontan vermutet, dass hier Reichsbürger aktiv sind, erhält auf der Webseite des Anwesens eine wesentlich unterhaltsamere Erklärung:
„Obwohl blind, erfasste König Georg V. (von Hannover) intuitiv den besonderen Reiz und die Romantik der Landschaft um Romkerhall. Er errichtete hier einen Jagdsitz und ließ 1862 den höchsten Wasserfall des Harzes anlegen. Dazu ließ er die kleine Romke umleiten und das Wasser den 64 Meter hohen Felsen herabstürzen. Anlässlich dieser Aktion soll König Georg Romkerhall offiziell zum Königreich Hannover zugehörig erklärt haben. Er machte dieses Gebiet gemeindefrei und unterstellte es direkt der Krone.“

Wir halten uns an dem etwas in die Jahre gekommenen Gasthof nicht weiter auf, sondern machen uns auf den Wanderweg entlang der lauschigen Oker zurück zu unserem Ausgangspunkt. Zwei schöne Erlebnisse zwischendurch kommen noch:

Zum einen ist da die Verlobungsinsel (Harzstempel 116), ein romantisches Inselchen in der Oker, zum anderen können wir an den steil aufragenden Wänden und Klippen eine Reihe von Kletterer beobachten, die sich dort hochhangeln. Das Okertal ist in der Kletter-Szene ein bekanntes Revier, und, wie man uns versichert, mit einigen durchaus ernsthaften Schwierigkeitsgraden. Wir bleiben lieber unten und laufen vorbei an den Adlerklippen zum Waldhaus zurück.

Insgesamt rund zwölf Kilometer, ein paar hundert Höhenmeter, knapp fünf Stunden unterwegs. Reichlich Natur, Klippen ohne Ende und als Abschluss ein solider Eisbecher im „Waldhaus im Okertal“. Kann man schonmal so machen.
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Vergangene Woche waren wir auf Motorrad-Tour über den Kyffhäuser nach Bad Frankenhausen.
Hier besuchten wir die Alte Elementarschule in Gernrode.
Davor gab es den ersten Teil über die Stiftskirche in Gernrode – und eine klare Café-Empfehlung.
Hier ging es um Fontane, Cécile und das Hotel Zehnpfund in Thale.
Und dann waren da noch zwei Harzer Badeseen.
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