Gernrode zum Zweiten: Die alte Elementarschule und noch mehr Mittelalter in St. Cyriakus

Harzletter, der Einhundertsechsundvierzigste.

Weil es für einen Harzletterbeitrag einfach zu viel zu erzählen gab, hier die Fortsetzung meiner Gernrode- (und Mittelalter-) Erkundung. Diesmal geht es hauptsächlich um die „Alte Elementarschule“ und um ein paar weitere Details zu St. Cyriakus.

146 Elementarschule baenke

Auf die Alte Elementarschule bin ich eher zufällig beim Googeln gestoßen – sie liegt praktisch direkt neben St. Cyriakus. Ein altes Fachwerkhaus, schon 1533 als Schule erwähnt, bis 1846 in Gebrauch, und danach langsam heruntergekommen. Aber immerhin bis zur Jahrtausendwende noch bewohnt.

146 Elementarschule museum

1998 erwarb der Gernroder Kulturverein Andreas Popperodt e.V. das Grundstück mit dem Ziel, das Gebäude zu sanieren. Rund zehn Jahre lang wurde mit viel privatem Engagement, Eigenarbeit, Förderern und Sponsoren das Haus wieder hergerichtet. Seitdem dient es als Museum, sowie als Kultur- und Bildungszentrum.

Eigentlich ist die Alte Elementarschule gar nichts Besonderes. Ein enges niedriges Fachwerkhaus, von denen es in der Gegend viele gibt. Wenn man in den hinteren Teil kommt, gelangt man in das historische Klassenzimmer. Und hier wird es rührend: Bänke und Klapptische, alles ebenfalls sehr eng, vorn das Lehrerpult, dahinter die Tafel, an der Seite ein Ofen.

146 Elementarschule klassenraum

Alles wie als alten Bilderbüchern; man kann sich leicht vorstellen, wie hier die Kinder gesessen und gelernt haben. Vor allem auch, wenn man im Flur die üblichen Klassenfotos sieht. Kinder, die skeptisch, frech, eingeschüchtert, lachend in die Kamera schauen. Die meisten mit Schuhen, manche barfuß. Die Fotos sind alt, alle darauf Abgebildeten sind längst gestorben; aber sie sind nicht alt genug, als dass diese Kinder in der Elementarschule unterrichtet wurden.

146 Elementarschule schueler

Trotzdem wirken sie; man bekommt ein Gefühl von der Beschränktheit der schulischen Möglichkeiten. Und der Lebens-Möglichkeiten überhaupt. Wobei heute auch nicht unbedingt alles besser ist.

Eintritt wird in der Alten Elementarschule nicht verlangt. Es gibt auch außer den paar Räumen nicht viel zu sehen; das ist ja kein Nachteil. 

Die erste lutherisch-reformierte Elementarschule

Das historisch Besondere ist das Alter; die Elementarschule ist die erste lutherisch-reformierte Grundschule überhaupt. Wikipedia schreibt dazu:

Der Bau wurde von der Äbtissin Anna von Plauen gefördert, die vom Prediger Stephan Molitor unterstützt wurde. Zunächst stand die Unterrichtung der lateinischen Sprache im Vordergrund. Der Schulbesuch war zunächst nur für Jungen möglich. Als erster Rektor und Kantor war Petrus Eilemann tätig. Von 1553 bis 1570 war Andreas Popperodt Rektor. In dieser Zeit waren an der Schule vier Lehrer tätig. Ab 1572 wurde die Schule als Elementarschule betrieben und Schreiben, Lesen, Rechnen, Zeichnen, Religion und Gesang unterrichtet. In diesem Jahr erließ Fürst Joachim Ernst von Anhalt die erste Schulordnung für die Elementarschule. Für 1585 wird auch eine Mädchenklasse erwähnt. Die Geschlechter wurden getrennt unterrichtet, eine Differenzierung nach Altersklassen erfolgte nicht.

Ein Besuch lohnt sich unbedingt; in solchen Gebäuden, die fast immer durch private Initiative erhalten wurden, zeigt sich oft mehr Geschichte als in großen Museen. Und sie ist dort greifbar, buchstäblich.

Ergänzung zu St. Cyriakus

Noch ein paar interessante Detail zur wunderbaren ottonischen Kirche:

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Das Taufbecken – das ebenfalls mittelalterlich ist, aber nicht immer dort stand, sondern im Zuge der Restaurierung im 19. Jahrhundert in St. Syriakus aufgestellt wurde. Dort sichtbar als Relief ist unter anderem eine Geburtsszene Jesu. Sehr besonders (und sehr selten) dabei: Die Darstellung Mariens im Bett liegend. Was ja nach einer Geburt sehr natürlich ist. 

Die Krypta der Ostseite, der älteste Teil der Kirche. Mystisches Licht, niedrige Bögen, nur ein kleines Fenster. 

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Das Heilige Grab. Ein Nachbau des heiligen Grabes in Jerusalem – so etwas gab es im Mittelalter öfter – wenn die früheren Pilger nicht nach Jerusalem gelangen konnten, wurde das Grab eben zu den Gläubigen gebracht.

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Der Bau in Gernrode ist das älteste erhaltene in Deutschland. Reine Mittelalter-Mystik.

Die Grabplatte von Elisabeth von Weida, der berühmtesten Äbtissin des Gernroder Stifts. Sie setzte sehr früh im Stift die Reformation durch und war überhaupt sehr tatkräftig.

Gero, der auf einem Löwen steht. Ein eindrucksvolles Detail aus dem Grabmal des Markgrafen Gero.

145 Ottonen fussLoewe



Vergangene Woche gab es den ersten Teil über die Stiftskirche in Gernrode – und eine klare Café-Empfehlung.

Davor ging es um Fontane, Cécile und das Hotel Zehnpfund in Thale.

Hier sprangen wir in zwei Harzer Badeseen.

Alles über die stürmische Premiere des Walpurga-Musicals im Harzer Bergtheater.

Hier steht einiges über eine Wanderung über die Bergwiesen bei St. Andreasberg.

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