„Der zerbrochne Krug“ – gefeierte Premiere im Quedlinburger Harztheater

Harzletter, der Einhunderteinundsechzigste.

Ja, ich war im Theater, endlich, und gleich zur Hochkultur: Der zerbrochne Krug, Heinrich von Kleist. Premiere im Harztheater in Quedlinburg. Um es abzukürzen: Es war ein voller Erfolg. Das Stück ist sowieso ein Klassiker (eine deutsche! Komödie!), sehr unterhaltsam, großartig inszeniert und gespielt. Verdienter, anhaltender Jubel inklusive Standing Ovations am Ende.

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Es ist ein bisschen peinlich, aber es war mein erster Besuch im Harztheater. Obwohl ich inzwischen ein paar Jahre in Quedlinburg lebe und die Bühne quasi um die Ecke liegt (in Quedlinburg liegt fast alles um die Ecke). Und obwohl es eine Besonderheit ist, dass es in so einer doch ziemlich überschaubaren Stadt ein so anspruchsvolles Theater überhaupt gibt.

Ich habe ein wenig gegoogelt, die Geschichte dieses Harztheaters liest sich ganz spannend. Aber ich will das hier nicht wiederholen, es steht alles ausführlich im Netz. Nur ein Detail: Das Haus in Quedlinburg wurde 1984 wegen Baufälligkeit geschlossen und 1997 „auch durch das Engagement vieler theaterbegeisterter Bürger“ (so Wikipedia) wiedereröffnet. Das allein ist schon toll und gehört unterstützt – auch, indem man hingeht.

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Jetzt aber zu Kleist. Der zerbrochne Krug ist natürlich eine sichere Sache. Eine deftige Geschichte mit reichlich komödiantischen Elementen, keine Orts- und Zeitenwechsel – also szenisch einfach zu realisieren. Dazu die Paraderolle des Dorfrichters Adam, die zu den ganz großen Bühnenfiguren zählt. Unvergessen zum Beispiel der Film von 1937 (eine von vielen Verfilmungen) mit Emil Jannings in der Hauptrolle. 

Dorfrichter Adam im Mittelpunkt des Zerbrochnen Kruges

Auch in der Quedlinburger Krug-Inszenierung durch Rosmarie Vogtenhuber-Freitag, die sich im Wesentlichen an den Kleist-Text hält, steht die Figur des Dorfrichters natürlich im Mittelpunkt. Der versoffenen Jurist, der der unschuldigen Eve nachstellt und sie erpresst, und der bei der Flucht aus ihrer Kammer besagten Krug zerbricht. Weil Gerichtsrat Walter gerade zur Inspektion anreist, muss Adam eine Verhandlung über diesen Krug und die Hintergründe führen – und versucht bis zum Schluss, seine Verwicklung und seine Schuld zu verbergen. Stefan Werner Dick spielt diese pralle, sich windende und Ausflüchte suchende Figur, und er spielt sie gut und leidenschaftlich. 

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Aber trotzdem liegt die Aufmerksamkeit schnell bei anderen Akteuren auf der Bühne: Zum Beispiel beim Schreiber Licht (Arnim Beutel), der herrlich vertrottelt und grotesk ungelenk eine Art Sidekick des Dorfrichters gibt, und ihn dabei durchaus die Show stiehlt. Oder Marthe Rull (Eric Eisenach), die Mutter von Eve und Auslöserin der Verhandlung um den Krug. Erich Eisenach spielt im knallblauen Kostüm diese Mutterrolle laut, schrill und auf den Punkt und ist über weite Teile der Aufführung die eigentliche Hauptfigur auf der Bühne. 

Happy End und tragischer Kern

Eve, die Tochter (Luisa Jäger), um deren Ehrenhaftigkeit und Unschuld sich alles dreht, bleibt eher blass und im Hintergrund, während ihr Verlobter Ruprecht (Jan Saure) in seinen Szenen zu großer Form aufläuft. Er wird verdächtigt, der heimliche Besucher in Eves Kammer gewesen zu sein, und er verwehrt sich vehement und sehr unterhaltsam gegen diese Beschuldigung.

Dann ist da noch Gerichtsrat Walter, gespielt von Julia Siebenschuh und deswegen eher eine Gerichtsrätin, die mit energischen Schritten und ebensolchem Auftreten immer wieder bravourös dazwischen funkt. 

Am Ende ist Dorfrichter Adam als Bösewicht entlarvt, die Verlobten finden wieder zueinander, eigentlich ein Happy End. Aber hinter dieser Komödie oder Groteske steckt auch ein tragischer Kern, der die Zustände in der Justiz und die damals herrschende Sexualmoral berührt. 

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Schnell noch ein Wort zum Bühnenbild: Modern reduziert, ein paar helle Standelemente reichten, dazu ein Stehpult/Aktenschrank und eine einsam von der Decke hängende Lampe als Requisite. Schon war man im Gerichtssaal und konnte sich voll auf Schauspieler und Text konzentrieren.

Bei der Uraufführung wurde der Krug ausgepfiffen

Bei seiner Uraufführung 1808 in Weimar, inszeniert durch Goethe höchstselbst, fiel das Stück durch und wurde ausgepfiffen. Das mag auch an dem Großdichter gelegen haben, der mit dem für damalige Verhältnisse revolutionärem Theaterstück nicht zurecht kam. Heute ist das nur noch schwer nachvollziehbar.

Das Publikum im ausverkauften Quedlinburger Schauspielhaus war jedenfalls begeistert. Lang anhaltender Beifall, die Schauspieler mussten wieder und wieder auf die Bühne kommen, laute Jubelschreie, stehende Ovationen. Also alles, was man sich nach einer Premiere wünscht. Entsprechend freudige und erleichterte Gesichter bei allen Beteiligten, dieser Krug wird auf jeden Fall eine Erfolgsgeschichte.

Ein Hinweis zu den Fotos: Während der Aufführung durfte aus Gründen nicht fotografiert werden; das ein Foto oben aus der Aufführung ist ein Pressebild des Harztheaters.

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Der zerbrochne Krug wird 24. Oktober in Salzwedel, am 26. in Halberstadt und am 31.10. und 03.11. wieder in Quedlinburg gegeben. Danach stehen schon in Hinblick auf Weihnachten die Kinderstücke an: „Die Schneekönigin“ sowie „Das Dschungelbuch“. 

Ich bleibe dran am Harztheater. Ein Abo gibt es dort offensichtlich nicht – eigentlich schade – aber den Newsletter habe ich vorsichtshalber abonniert. Damit ich auf dem Laufenden bleibe und der nächste Besuch nicht wieder erst in ein paar Jahren stattfindet.

Vergangene Woche war ich beim Oberliga-Derby Germania Halberstadt – Einheit Wernigerode.

Davor habe ich mich auf eine Stempel-Wanderung von Ilsenburg nach Schierke gemacht.

Dann war ich auch beim Amateurfußball, genauer: bei der A-Jugend der Spielgemeinschaft Gernrode/Quedlinburg/Bad Suderode

Hier ging es um Denkmale in Quedlinburg und Ballenstedt.


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