Schloss Stolberg, Fachwerk, Thomas Müntzer und der Bauernaufstand 1525

Harzletter, der Neunundneunzigste.

Wieder mit dem Motorrad unterwegs – diesmal sogar inklusive einer ausgedehnten Schlossbesichtigung. Das Ziel hieß Stolberg – immer wieder lohnend; der Ausgangspunkt war Braunlage.

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Von dort aus ist es eine wunderbare Fahrt Richtung Osten: schöne Nebenstrecken, viele Kurven, erfreulich wenig Verkehr. Nach einer knappen Stunde schlängeln sich die letzten Kilometer von Breitenstein runter nach Stolberg, und dort biegen wir im Ort gleich rechts ab Richtung Schloss.

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Ich weiß aus früheren Besuchen, dass man hoch auf einen Parkplatz gleich neben dem Eingangstor fahren kann – und der Blick von dort über das gesamte Tal und die Häuserdächer ist ein absolutes Harz-Highlight.

Und wenn man schon mal da ist, geht man natürlich auch rein ins Schloss und sieht sich an, wie die Fürsten früher so gelebt haben. Auch, wenn überall renoviert wird – zum Glück! – und nur ein Teil der Räume kostenlos (!) begehbar ist; das ist schon sehr imponierend.

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Allein das Wappen mit den beiden Löwen, der Krone und dem übrigen Gedöns über dem Schloss-Portal sagt überdeutlich: Hier wohnt der Chef. Na ja, wohnte. 1945 wurden die zu Stolberg-Stolbergs enteignet, das Schloss wurde als FDGB-Ferienheim genutzt. Das war nicht nur zu seinem Vorteil – als es 1990 von der Treuhand übernommen wurde, stand es erst einmal leer, war ziemlich heruntergekommen und gammelte weiter vor sich hin. Ein Investor wollte ein Hotel daraus machen, das scheiterte, das Schloss verfiel weiter, bis 2002 die Deutsche Stiftung Denkmalschutz den ganzen Komplex übernahm.

Seitdem wird Schritt für Schritt saniert, was offensichtlich ziemlich aufwendig und entsprechend teuer ist.

Wenn man dann etwas ehrfürchtig übers Schloss-Parkett und durch die Gänge und Räume schlendert, bekommt man ein Gefühl für die jahrhundertelange Geschichte und das Lebensgefühl der zu Stolbergs. Irgendwann im 13. Jahrhundert fing alles an, die Sippe wuchs und verzweigte sich – in die Linien Stolberg-Wernigerode, Stolberg-Stolberg, Stolberg-Gedern, Stolberg-Schwarza und Stolberg-Roßla. Habe ich aus Wikipedia abgeschrieben, bei diesen Adelsfamilien blickt ja außer Leserinnen des „Goldenen Blatts“ und ähnlicher Fachzeitschriften niemand genau durch.

Jedenfalls waren die diversen Stolbergs über Jahrhunderte eine ziemlich große Nummer; zum einen, weil sie reichlich Ländereien besaßen, zum anderen, weil sie auch Ämter inne hatten. Da gab es Äbtissinnen, Historiker, Politiker, Offiziere, aber auch Autoren, Lyriker, einen Bischof und eine Leichenpredigtensammlerin (was immer das ist). Ob eine/r dabei war, der/die einfach nur Dolce Vita und Hau-raus-die-Kohle praktiziert hat, konnte ich auf die Schnelle nicht herausfinden; aber es wäre erstaunlich, wenn nicht der eine oder andere gut betuchte Hallodri darunter gewesen wäre.

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Das was im Schloss an Ausstattung zu sehen ist, lässt jedenfalls auf einen komfortablen Lebensstil schließen; der Waffenschrank, die Prunk-Wiege, die Kronleuchter und die Deckenbemalungen zeigen das deutlich. Und die eigene Kapelle, die etwas am Rande liegt, ist bescheiden, aber mit viel Sinn für Geschmack ausgestattet.

Das Beste ist der Blick vom Schloss nach unten

Das Beste bleibt der Blick über die bewaldeten Hügel und die Dächer von Stolberg. Genau so stellt man sich eine deutsche Märchenlandschaft vor: Fachwerkhäuser, winklige Straßen, Stadttor und Türme und rundherum alles grün.

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Schon zu DDR-Zeiten war Stolberg ein Vorzeige-Ort; das lag weniger am Schloss als vielmehr an Thomas Müntzer. Der hier geborene Priester entwickelte sich zum Anführer im Bauernkrieg. Vor fast genau 500 Jahren hielt er seine berühmte Fürstenpredigt, in der er die sozialen Missstände und das Elend der Bauern scharf angriff. Ein Jahr später kam es zur Schlacht bei Frankenhausen, bei der er gefangen genommen und später gefoltert und enthauptet wurde.

Dieser Bauernaufstand war ein zentraler Bezugspunkt des ehemaligen Arbeiter- und Bauernstaats – das Museum dazu in Frankenhausen mit dem umwerfenden Panorama-Gemälde von Werner Tübke ist immer einen Besuch wert.

Die Veranstaltungen zum Gedenken an den Bauernaufstand ziehen sich seit vergangenem Jahr hin – nicht nur in Stolberg, sondern im gesamten Südharz. Einen guten Überblick liefert die Seite gerechtigkeyt1525.de im Netz.

Und zum Schluss noch ein Fun-Fact zum Schloss, seinen ehemaligen Besitzern und Stolberg überhaupt: Seit 2010 hat die Familie Fürst zu Stolberg-Stolberg am Schlossberg in Stolberg einen Zweitwohnsitz. (Gefunden bei Wikipedia).

Ist doch schön, dass da zusammenwächst, was zusammen gehört.

Die anschließende Schlossrundgangspause in einem der vielen Stolberger Cafés war auch sehr schön.

Hier war ich in Goslar bei der Eröffnung der Dieter-Nuhr-Ausstellung.

Davor in Wernigerode an der Hofbude von Robin Pietsch und zum Eis-Test.

Hier ging es an der Teufelsmauer entlang.

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Auf Instagram findet der Harzletter auch statt: www.instagram.com/harzletter.de/

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