Scheitern am Baumwipfelpfad und der CSD in Wernigerode

Harzletter, der Vierunddreißigste.

Ich hatte es mir so schön und einfach vorgestellt: Endlich den Baumwipfelpfad in Bad Harzburg erleben. Hinfahren mit Deutschland-Ticket (funktioniert super!), Eintrittskarte kaufen (8,50 Euro, in Kombination mit einer Gondelfahrt elf Euro), und los geht’s.

34 Wipfel quer

Der Harzer Baumwipfelpfad, der 2015 eröffnet wurde, ist eine echte Erfolgsgeschichte. Er ist im Gegensatz zu manchen anderen „Attraktionen“, die in den letzten Jahren eröffnet wurden (Kritiker sprechen von „Verrummelung des Harzes“), äußerst beliebt, dazu spektakulär und lehrreich. Schon 2019 wurde der einmillionste Besucher gezählt.

Und jetzt kam ich. Und stand, nachdem ich durch die Eingangs-Sperre durch war, am Fuß dieser riesigen Kuppel, in der ein Fußweg spiralförmig in die Höhe führt. Habe ich schon erwähnt, dass ich Höhenangst habe? Die erste Runde ging noch, aber dann ein Blick nach unten, einer nach oben und mir wurde schlagartig mulmig.

Der Pfad ist insgesamt rund 1000 Meter lang und verläuft in etwa 25 Meter Höhe. Es gibt auch einen kurzen Glassteg, aber der ist nur was für ganz Mutige. Ich stehe auf halber Höhe und fühle langsam Panik aufsteigen. Beim Blick auf den Boden kann ich durch die Spalten der Bretter durchschauen. Ganz schlecht. Die Panik wächst, und dagegen kann man leider gar nichts machen.

34 gestaenge

Natürlich würde nichts passieren, wenn ich einfach da oben lang ginge. Wahrscheinlich wäre das sogar das versprochene tolle Erlebnis. Aber jetzt, hier, allein in der Spirale: No way.

Ich werde nie verstehen, dass Leute freiwillig aus Flugzeugen springen oder Geld dafür zahlen, um Loopings in Achterbahnen zu fahren. Das ist schon beim Zusehen der blanke Horror. Aber zum Glück muss man das ja nicht machen und man muss auch nicht auf dünnen Bretterbohlen an Baumwipfeln entlang laufen. Ich kehre also um; schade ums Eintrittsgeld.

Aber wenn ich schon mal da bin, gehe ich halt unten an den Masten entlang Richtung Burgberg – schließlich habe ich noch eine Gondelfahrt offen. Ganz unverhofft entpuppt sich das als wirklich schöner Weg: Allein das frische Hellgrün der Blätter ist eine Wohltat. Denn hier stehen nur Laubbäume – und die stehen. Kein Vergleich mit den Mondlandschaften rund um den Brocken. Einmal komme ich durch einer Birken-Ansammlung vorbei; da wird es fast poetisch.

34 weg
34 birken

Oben, nach ein paar Kilometern, die Harzburg; oder besser: die paar Reste. Heinrich der Löwe hatte mal wieder seine Finger im Spiel, im Nebeldunst sieht alles leicht verwunschen aus. Besonders eine Bogenbrücke mit dahinter stehenden Krodo-Figur erinnert schon sehr an „Herr der Ringe“. (Krodo war laut Conrad Bothes Sassenchronik von 1492 ein Gott der germanischen Sachsen, dessen Standbild soll im Jahr 780 auf der Harzburg von Karl dem Großen bei Besiegung der Ostsachsen niedergeworfen worden sein. – Quelle Wikipedia; und wieder was gelernt).

34 bruecke

Gleich neben den Burgresten befindet sich zum Glück die Bergstation der Burgberg-Seilbahn. Die ist – wenn man die High-Tech-Varianten in den alpinen Skigebieten kennt – klein, knuffig und angenehm altmodisch und bringt mich in ein paar Minuten gemütlich ins Tal zurück.

34 gondel

Insgesamt ein angenehmer Spaziergang – nur über den Baumwipfelpfad muss ich noch mal nachdenken. Allein krieg ich das nie hin; ich bräuchte jemand, der mitkommt, mir Mut zuspricht und an dem (oder der) ich mich im Panikfall festkrallen kann. Nur mal so als Gedanke.

Christopher Street Day (CSD) im Harz, genauer gesagt in Wernigerode. Harz und queere Community ist eine Kombination, die einem spontan eher nicht in den Sinn kommt. Aber Schwule, Lesben, Transgender und so weiter gibt es natürlich auch in den Bergen zwischen Goslar und Stolberg, und deswegen soll, so der Plan, am 24. Juni endlich der erste Umzug plus Straßenfest in Wernigerode stattfinden.

Dazu passt, dass Wernigerode sich selbst als „bunte Stadt am Harz“ verkauft.

Aber es gibt Kritik und Widerstand. Staus und gefrustete Autofahrer werden befürchtet, aber das sind natürlich nur vorgeschobene Bedenken. Und dass sich, wie in anderen Städten ganz selbstverständlich, der Bürgermeister für den Umzug stark macht oder sogar daran teilnimmt, ist in Wernigerode eher schwer vorstellbar.

Bis zum 24. Juni ist es noch ein bisschen hin; mal sehen, wie sich die Sache entwickelt.

Und, ganz ehrlich: Die Wernigeröder könnten froh sein, dass so ein Umzug auch bei ihnen stattfinden soll. Ein Tag Trubel, positive Presse, neue Gäste, tolerantes Image – eigentlich eine Win-Win-Situation, der man entspannt entgegen sehen könnte.

Der Newsletter der vergangenen Woche über das Deutschland-Ticket findet sich hier.

Über die Walpurgisnacht gibt es hier zu lesen.

Kontakt

Kommentare, Nachrichten, Fragen, Lob und Kritik an:

Erwin Klein
info@harzletter.de