Julius Bernhard von Rohr und sein Harz-Reiseführer von 1739

Harzletter, der Siebzigste.

Bei diesem Harzletter mache ich mir es ausnahmsweise einmal ganz einfach: Ich schreibe ab.

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Bei Julius Bernhard von Rohr, vorwiegend aus seinem Reiseführer „Geographische und Historische Merckwürdigkeiten des Ober-Hartzes“. Der erschien 1739 und ist eine wunderbare Quelle der Unterhaltung und der Gelehrsamkeit.

Zum Beispiel ein Abschnitt über die Einwohner und deren Heiz-Gewohnheiten:
„Was die Beschaffenheit der Einwohner des Hartzes anbetrifft, so wollen ihrer viele ihnen beymessen, daß sie gröber und plumper wären als die an andern Orten … Es ist ein unbegründeter Vorwurff, wenn man den Hartz-Leuten ohne Unterschied ein grobes und plumpes Wesen zuschreiben will. Sie sind in Ansehung ihres Verstandes, Einfalt, Grobheit und Höflichkeit, Tugenden und Lastern, von den übrigen Teutschen nicht unterschieden … Daß die Leute hiesiger Gegenden vor andern grober und harter Speisen gewohnet, hat seine Richtigkeit. Daß man ihnen aber wegen der Kälte und rauhen Gegenden, in welchen sie gebohren und erzogen werden, schlechterdings beylegen könte, daß sie fähig wären, die Kälte mehr zu vertragen als andere, ist ebenfalls unrichtig. Weil es ihnen an Holtze nicht fehlet, so sind auch die meisten gewohnt, den gantzen Sommer einzuheitzen, und suchen eine warme Stube, sobald nur ein kalter Wind gehet; An einigen Orten wird eine solche unnöthige Verschwendung mit dem Holz getrieben, daß sie es den Hartz-Staat nennen, wenn sie in der Stube scharf einheitzen, und dabey Fenster und Thüren aufmachen …“

Ein Reiseführer mit klaren Urteilen

Oder wenn es um Reisen in den Harz geht:
„Wann demnach ein Fremder mit seinem eigenen Geschirre diese Gegend besuchen will, der thut überaus wohl, daß er einen sichern, ehrlichen, der Wege kundigen und dabey gesunden und starken Bothen ausmacht, den er zum Weg-Weiser nimmt. Ein solcher weiß mehrentheils Bey-Wege, wie die schlimmsten Berge, gefährlichsten Felsen und engesten hohlen Wege zu umfahren. Wo es Noth thut, wissen diese Bothen alsobald durch Unterlegung Klötzer und Steine Rath zu schaffen, daß einer alsdenn noch so ziemlich gut weg kommen kann. Ist es ein bekannter Mann, so haben auch die Kohlen-Fuhrleute, welches grossen theils ziemlich unglimpfliche Bursche sind, vor einem solchen mehr Respect, als vor den vornehmsten Herr, der im Wagen sitzt.

Man hat sich aber auch in Ansehung dieser Bothen selbst in Acht zu nehmen. Es finden sich manche liederliche und versoffene Männer, sie biethen sich den Reisenden um ein Trinckgeld in grosser Menge an, wissen aber gar öffters die Strassen selbsten nicht, weil sie mehrentheils nach denen Oertern, an welchen sie zu verrichten haben, den Fußsteig gehen, welcher öffters von der Land-Strasse gar weit ablenckt. Wann sie hernach sehen, daß Noth am Mann gehet, verlauffen sie sich, daß die Reisenden nicht wissen, wo ihr Bothen geblieben.“

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„Unglimpfliche Bursche“, „liederliche und versoffene Männer“ – Herr von Rohr konnte deftig und wahrscheinlich auch treffend formulieren. Entdeckt habe ich ihn zufällig im Internet; von Rohr (28. März 1688 bis 18. April 1742) war laut Wikipedia sächsischer Kameralist und als Schriftsteller einer der bekanntesten Autoren der deutschen Hausväterliteratur. „Kameralist“ ist eine Art Buchhalter oder Haushalts-Experte; „Hausväterliteratur“ ist eine frühe Art von Ratgeberbüchern zu allem, was die Haushaltung angeht – dazu gehörten auch Regeln für Familie, Ehe und Kindererziehung, sowie Kochrezepte. Martin Luther war einer der ersten, der solche vielgelesenen praktischen Ratschläge veröffentlicht hat.

Neben Reiseführern auch Bücher zur Haushaltsführung

Und neben diesen Werken zur Haushaltsführung (mit so griffigen Titeln wie „Einleitung zur Staatsklugheit“, „Nöthiger und nützlicher Vorrath Von allerhand auserlesenen Contracten, Verträgen, Recessen, Bestallungen“ oder „Juristischer Tractat von dem Betrug bei den Heyrathen“) verfasste von Rohr auch zwei Reiseführer über den Harz. „Geographische und Historische Merckwürdigkeiten des Vor- oder Unter-Hartzes“ und „Geographische und Historische Merckwürdigkeiten des Ober-Hartzes“. Und daraus schreibe ich hier ab.

„Woher der Hartz seine Benennung erhalten, ist unter den Gelehrten noch sehr streitig; einige wollen dies Wort aus dem Teutschen, andere aber aus dem Griechischen herleiten. Unterschiedene sind der Meynung, daß das lateinische Wort Hercynia ein zusammengesetztes griechisch Wort sey… Andre leiten es von denjenigen griechischen Wort her, welches eine Vermachuung und Schutzwehr bedeutet, weil der Hartz-Wald bey den Kriegs-Zeiten gar bequem wäre, sich in demselben wider die Feinde zu schützen und darinnen zu verdecken.“

Von Rohr war ein studierter und belesener Mann – er gab nicht nur Reisehinweise und lieferte Ortsbeschreibungen, sondern machte sich darüber hinaus Gedanken über Namensgebung, Historie, Wetterbeobachtungen und vieles mehr.

Auf der Titelseite steht der vielversprechende Hinweis: „Meistentheils durch genaue Bemerckung dessen, was man selbst in Augenschein genommen, ausgearbeitet.“ Er war also vor Ort gewesen und hatte sich kundig gemacht.

Absolut lesenwert und heute noch unterhaltsam ist beispielsweise seine Vorrede:
„Mein Leser!“ beginnt sie, und da steht man geistig schon mal aufrecht und ist aufmerksam.

Bemerkenswerterweise betont von Rohr seine Diskretion:
„Die Pflichten, die ich mir selbst und anderen schuldig, haben nicht zulassen wollen, dass ich alles, was mir kund worden, in die Welt geschrieben.“
Und weiter:
„Man bemercket bisweilen an fremden Oertern Fehler, wie zu Hause; man erfähret etwas, dessen Entdeckung zwar der Neugierigkeit einiger Leser gefällig, auch wohl manchen nützlich, anderen aber, die man ebenfalls hierbey mit in Betrachtung zu ziehen hat, wo nicht schädlich, doch unangenehm seyn würde.“

Es folgen einige Betrachtungen darüber, wem sein Reiseführer-Buch nutzen könnte:
„Vielleicht werden einige, die sich den Ober-Hartz gantz anders vorgestellet, und nicht eingebildet, dass so viel Schätze der Natur in demselben verborgen liegen, desto eher angetrieben, diese Gegenden selbst in Augenschein zu nehmen.“

Dass ist doch ganz modernes Tourismus-Marketing (und wirkt auf mich anziehender als manches Marketing-Geschwätz heutzutage). Und selbst heutige Reiseführer-Schreiber könnten sich einiges am Stil und der Genauigkeit der Beschreibungen abschauen.

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Inhaltlich geht es in dem Band vor allem um Bergbau – der Harz war zu dieser Zeit Anfang des 18. Jahrhunderts eine der bedeutendsten wirtschaftlichen Regionen in Europa. Dazu passt auch die Illustration auf der Aufschlagseite des Buches: Hier werden im Detail einige Szenen des damaligen, noch ziemlich primitiven Bergbaus gezeigt. Von Rohr stellt in seiner Vorrede auch klar, dass er kein Berg-Fachmann ist und ihm deswegen Fehler unterlaufen sein könnten.

Insgesamt eine tolle Entdeckung; ich werde mir einzelne Kapitel und „Oerter“ noch näher ansehen und Interessantes berichten.

Was ich sensationell finde: All das gibt es im Netz zu entdecken. Ich bin im Münchener Digitalisierungszentrum der Bayerischen Staatsbibliothek fündig geworden; hier sind jede Menge wirklich alte Bücher digitalisiert worden und online verfügbar – sympathischerweise kostenfrei.

Google bietet unter books.google.com einen ähnlichen Service an; auch dort gibt es eine Menge digitalisierter Schätze zu entdecken.

Nachtrag zum Bodetal

Vergangene Woche war ich im Bodetal unterwegs und habe beschrieben, wie mühsam und nicht ganz ungefährlich die Wege waren. Ein paar Tage später ist ein Wanderer wirklich ausgerutscht, abgestürzt und musste in einer aufwendigen Aktion gerettet werden.

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Seitdem ist das Tal weitgehend abgesperrt. Zumindest solange der Winter mit Schnee, Frost und Eis anhält.

Vergangene Woche waren wir hier entlang der Bode unterwegs.

Hier wanderten wir zum Bärendenkmal und zur Teufelsmühle.

Wir testeten hier den neuen Wienerwald in Torhaus.

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