Mit der Harzer Schmalspurbahn von Quedlinburg durchs Selketal nach Stiege

Harzletter, der Achtunddreißigste.

Das Beste am Deutschland-Ticket ist die Harzer Schmalspurbahn (HSB). Ich hab’s ja immer geahnt, jetzt habe ich es endlich umgesetzt. Von Quedlinburg nach Stiege und zurück.

38 dampflok q

Zur Erinnerung: Das Streckennetz der HSB ist im Deutschland-Ticket inbegriffen – mit Ausnahme der Strecke von Drei Annen Hohne rauf auf den Brocken.

Also hin zum Quedlinbuerger Bahnhof und rein in den Zug. Ich hätte sogar mein Rad mitnehmen können – das wäre im Gepäckwagen kostenlos transportiert worden. Ob das bei dem Schienenbus auch geht, weiß ich nicht, der ist jedenfalls eh meist halbleer unterwegs.

Ein kurzes Stück ins Selketal bin ich ja schon mal gefahren; diesmal wollte ich etwas höher hinaus bis nach Stiege. Fahrzeit: knapp zwei Stunden.

Zunächst einmal: Es gibt nichts Entschleunigendes als eine Bergauffahrt mit der HSB-Dampflok. Ab Gernrode geht es am Osterteich vorbei im gemächlichen Radfahrertempo nach oben. Mitten durch den Wald, mit schnaubender und stampfender Lok und reichlich Rauchausstoss. Ökologisch korrekt ist das sicher nicht, allein schon wegen der zunehmenden Waldbrände, die auffälligerweise fast immer entlang der Bahnstrecke ausbrechen. Funkenflug der Dampfloks soll die ausgelöst haben.

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Aber die Romantik! Man kann raus auf die Plattformen zwischen den Waggons gehen, man kann sogar die komplette Fahrt draußen verbringen, man sieht unter seinen Füßen das Schotterbett hinweggleiten. Das Pfeifen der Lok, das Rumpeln der Waggons, die zum Greifen nahe Natur – einfach schön.

Und dann die Stationen: Mägdesprung, Güntersberge, Alexisbad – leicht heruntergekommene Bahnhöfe, die trotzdem noch den Restflair vergangener besserer Zeiten ausstrahlen, jeweils ein paar Wanderer, ein paar Radfahrer, ansonsten alles ruhig und ziemlich schläfrig.

38 alexisbad
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Nach knapp zwei Stunden laufen wir in Stiege ein; ich habe eine Stunde Zeit, dann geht es zurück. Ein kurzer Gang zur Stabkirche – die sieht viel zu perfekt und zu neu aus und ist natürlich geschlossen, ein kurzer Weg am Unteren Teich vorbei, und im Vorbeilaufen noch ein Blick auf das Kriegerdenkmal. Das erinnert wie an vielen anderen Orten an die Toten des ersten und zweiten Weltkrieges, aber daneben fällt mir eine Art Grabstein auf: „In ehrender und mahnender Erinnerung an die am 13. 4. 1945 in Stiege ermordeten italienischen Soldaten“ steht drauf.

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Das klingt spannend: Kurz vor Kriegsende ermordete italienische Soldaten. Was machten die in Stiege? Was ist dort passiert? Es waren die chaotischen Wochen kurz vor der Kapitulation, die Tage der Todesmärsche quer durch den Harz. Google hilft mir weiter, denke ich, aber auf Google finde ich gar nichts. Sehr seltsam – und vielleicht hat ja jemand einen Tipp für mich. So ein Gedenkstein wurde ja nicht ohne Grund aufgestellt.

Dann ist Stiege noch ein besonderer Anziehungspunkt für Eisenbahn-Aficionados. Es gibt dort nämlich die angeblich engste Wendeschleife Europas. Mit einem Radius von nur 60 Metern fährt ein Zug einmal im Kreis herum, bevor er in der Gegenrichtung seine Fahrt fortsetzt. Ich konnte diese Schleife auf meiner Rückfahrt erleben: Ein bisschen wie Legoland oder Spielen mit der Brio-Bahn.

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Da überall an der Strecke Menschen stehen, die die Dampflok und die angehängten Wagen fotografieren und filmen, fielen mir die wirklichen Eisenbahn-Verrückten erst gar nicht auf. Aber dann warteten gleich mehrere mir professioneller Kameraausrüstung an der Schleife. Und als wir in Alexisbad einliefen, waren dieselben Gesichter wieder da, an einer Straßenkreuzung ebenfalls, und zwei sah ich kurz vor Bad Suderode zum vierten Mal. Trainspotter werden sie in Großbritannien genannt, dort gibt es sie haufenweise. Sie warten auf bestimmte Züge an bestimmten Punkten, machen Fotos und tauschen sich darüber aus. Warum nicht – ich jedenfalls fahre lieber im Zug statt draußen zu stehen, und Schienenfahrzeuge sehen für mich irgendwann mehr oder weniger gleich aus (bis auf die HSB natürlich).

Aufreger-Thema in Quedlinburg: Werden in der Innenstadt in Zukunft Photovoltaik-Anlagen auf den Dächern der historischen Altstadt erlaubt sein? Es gibt wohl einen entsprechenden Antrag und in Zeiten von Energiewende scheint alles möglich. Optisch wäre das eine ziemliche Katastrophe – allein die Vorstellung, dass beim Blick vom Stiftsberg lauter Sonnenkollektoren auf mittelalterlichen Häusern sichtbar wären, lässt Gruselgefühle aufkommen.

Der CSD-Umzug in Wernigerode findet wohl wie geplant am 24. Juni statt. Das sagt jedenfalls der CSD Sachsen-Anhalt. Zur Erinnerung: Nach Bekanntwerden der Pläne gab es heftigen Widerstand in Wernigerode inklusive Drohungen gegen die Veranstalter.

Der Newsletter der vergangenen Woche über den Ditfurter See und den Osterteich findet sich hier.

Über Langenstein und Goethe gibt es hier zu lesen.

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