Höhlenwohnungen in Langenstein und noch was zum Baumwipfelpfad

Harzletter, der Fünfunddreißigste.

Besuch bei einem weiteren Harz-Klassiker: den Höhlenwohnungen in Langenstein.

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Wobei: Ist Langenstein eigentlich noch Harz? Das liegt kurz vor Halberstadt, neben der B81, der „eigentliche“ Harz ist hier schon fast zu Ende. Aber egal; es geht hier nicht darum, Grenzen zu ziehen, sondern wir wollen ja was sehen. Und besage Höhlenwohnungen sind wirklich einzigartig und in jedem Harz-Reiseführer wärmstens empfohlen.

Wenn man im Netz nach „Höhlenwohnung Harz“ sucht, tauchen auch Begriffe wie „Hobbit-Wohnungen“ oder „Zwergen-Wohnungen“ auf. Und tatsächlich, wenn man davor oder drinnen steht, ist der Gedanke an „Herr der Ringe“ ziemlich einleuchtend.

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Ich fahre zu den Wohnungen am Schäferberg. Es ist schon kurz vor sechs; um sechs wird zugesperrt, deswegen reicht es nicht für das volle Programm. Von außen ein paar Löcher im Fels – das gibt es öfter; Vorratskammern sind in vielen Gegenden in den Fels gehauen. Aber hier sind es richtige kleine in den Sandstein geschlagene Wohnungen. Der Verein Langensteiner Höhlenwohnungen e.V., der zehn Mitglieder hat und sich um den Erhalt der Wohnungen kümmert, hat ein paar Möbel in die Räume gestellt, damit man sich das ehemalige Leben dort besser vorstellen kann.

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Erste Beobachtung: Die Menschen waren früher definitiv kleiner. Nachdem ich eine der Wohnungen betreten habe, muss ich permanent den Kopf einziehen. Und: Die Menschen kamen mit weniger aus; weniger Platz, weniger Komfort, weniger von allem.

Die zehn Höhlenwohnungen am Schäferberg wurden erst 1855 in den Fels geschlagen; bewohnt wurden die letzte bis 1916. Ein Wohnraum, ein Schlafraum, eine Küche, ein Vorratsraum – das war’s. Dazu ein Plumsklo draußen, einen kleinen Vorgarten gab’s auch.

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Der Grund für diese ungewöhnliche Wohnraumbeschaffung: Wohnungsnot und Geldmangel. Arbeiter am örtlichen Gutshof brauchten laut Wikipedia dringend Wohnraum, hatten aber kaum Geld. Da wurde ihnen der Fels angeboten und mit Hammer, Spitzhacke und Meißel arbeiteten sie sich in den Sandstein. Rund 30 Quadratmeter groß sind die Wohnungen; dank des Sandsteins, der das Regenwasser aufsaugt, sind sie absolut trocken und haben eine konstante Temperatur von etwa 18 Grad. Klingt irgendwie auch nachhaltig und ökologisch. Naturnah war es auf jeden Fall.

Dazu habe ich im Netz noch einen passenden Text aus „Die Gartenlaube“ – eine viel gelesene Illustrierte des 19. Jahrhunderts – gefunden. Er stammt von 1889:

„Höhlenbewohner fast mitten im Herzen unseres hochcivilisirten Deutschen Reiches! Diese merkwürdige Thatsache bestimmte mich, nach genanntem Orte zu pilgern. Und richtig, oberhalb des großen, wohlhabenden Dorfes Langenstein, und zu diesem gehörig, liegen etwa 10 in den Felsen gehauene Wohnungen; das Ganze wird „die Burg“ genannt, und einige 40 Menschen haben darin Unterkunft gefunden.

Die älteste dieser Höhlenwohnungen ist vor 29 Jahren von einem armen jungen Ehepaar, welches in Langenstein kein Unterkommen finden konnte, angelegt und nach und nach erweitert worden, ein recht beachtenswerthes Theil Arbeit, wenn man bedenkt, daß der Mann erst ein bedeutendes Stück Felsen abtreiben mußte, um eine Front zu erhalten.

Die Wohnungen sind im Winter warm, im Sommer kühl und nach den Versicherungen der Bewohner, welche meist recht kräftige, rothbäckige Leute sind, vollständig gesund. … Jedenfalls sind diese Höhlenwohnungen bei weitem gesünder als die vielen Kellergeschoßwohnungen, die gemauerten Höhlen unserer Großstädte.“

Anschauen lohnt sich und kostet nichts – dem rührigen Verein darf man gern eine Spende da lassen.

Dann gibt es in Langenstein noch ein Schloss und den dazugehörigen wunderbaren Park; auch dazu gibt es eine schöne historische Geschichte. Die schreibe ich aber erst kommende Woche auf. Spoiler: Es kommt ausführlich unser Freund, Geheimrat Goethe drin vor.

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Eine schöne Reaktion auf den letzten Harzletter über den Bad Harzburger Baumwipfelpfad:
Eva-Christin Ronkainen-Kolb, Geschäftsführerin der HarzVenture GmbH, die den Baumwipfelpfad betreibt, schrieb:

„Ehrlicherweise dachte ich, als ich die ersten Zeilen gelesen habe, oh nein – eine Beschwerde, wurde dann aber schnell eines besseren belehrt. …

Es tut uns natürlich leid, wenn der Besuch des BWP nicht ganz nach Ihren Vorstellungen verlaufen ist. Unser ultimativer Tipp in dem Zuge wäre: starten Sie vom hinteren Ende. Da merken Sie nicht, dass der Abstand zum Boden immer mehr wird.“

Das schreit doch förmlich nach einem zweiten Versuch.

Der Newsletter der vergangenen Woche über den Baumwipfelpfad findet sich hier.

Über die Walpurgisnacht gibt es hier zu lesen.

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Erwin Klein
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