Dieter Nuhr im Goslarer Mönchehaus: Der Comedian als Maler und Fotograf

Harzletter, der Siebenundneunzigste.

Es geht zur Abwechslung mal in den Westharz. Nach Goslar, zu Dieter Nuhr und zu einer Ausstellungseröffnung. Dieter Nuhr? Der Comedian? Was treibt der im Harz?

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Dieter Nuhr malt und fotografiert. Nicht hobbymäßig nebenbei, sondern ernsthaft, seit er an der Essener Folkwangschule einst ein Kunststudium (auf Lehramt) erfolgreich abgeschlossen hatte.

Seit vielen Jahren stellt er auch aus – jetzt auch im Mönchehaus, dem Goslarer Kunstmuseum.

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Vergangenen Sonntag war Eröffnung und die war durchaus unterhaltsam – Dieter Nuhr lebt schließlich ganz gut vom Witze-Erzählen, so ein Ruf verpflichtet.

Hier mein kleiner Text, den ich für die Braunschweiger Zeitung geschrieben habe:

Der Mann ist Profi und liefert zuverlässig. Zur Eröffnung der Dieter-Nuhr-Ausstellung „Du denkst an durchfahrene Länder“ war der Garten des Goslarer Mönchehauses Sonntagmittag bis auf den letzten Platz gefüllt. Man war neugierig, erwartungsvoll und spekulierte auf ein wenig Unterhaltung. Freundlicher Applaus, als Nuhr durch die Museumstür ins Freie trat.

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Und – wie gesagt – er lieferte. Nach den obligatorischen Begrüßungsansprachen des Kunstvereinsvorsitzenden Florian Haacke, von Oberbürgermeisterin Urte Schwerdtner und Volksbankvorstand Peter Buikis, stand ein Gespräch zwischen Dieter Nuhr und Museumsdirektorin Dr. Bettina Ruhrberg auf dem Programm.

Zunächst wurde klar gestellt, dass Nuhr kein Hobby-Maler ist, der seine Freizeit kunstgewerblich ausfüllt. Er hat schon immer als Maler und Fotograf gearbeitet. Aus den vergangenen Jahren kann er eine beeindruckende Zahl an Ausstellungen unter anderem in Dakar, Shanghai, Venedig, Rom und Marbella vorweisen. Dort kennt ihn niemand als Comedian.

Wie Dieter Nuhr nach Goslar kam

Und Goslar? Maßgeblicher Initiator war Sigmar Gabriel, der als Erster den Vorschlag einer Nuhr-Ausstellung aufbrachte. Dieter Nuhr war zuerst skeptisch: „In einem Fachwerkhaus?“ Er stellte sich niedrige Decken und kleine Räume vor – da hätten seine oft großformatigen Arbeiten kaum reingepasst. Eine Besichtigung des Mönchehauses überzeugte ihn: „Ein wunderbarer Ort.“

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Vor genau 20 Jahren sei er in Goslar einmal aufgetreten, erzählte er, und versprach, mit dem Wiederkommen keine weiteren 20 Jahre zu warten. Denn: „Der Brocken fehlt noch in meinen Bildern. Das hole ich nach.“ Freudiger, amüsierter Applaus.

Bettina Ruhrberg fragte nach seinen Reisen und seinen Arbeitstechniken – und Dieter Nuhr holte weit aus. Reisen sei für ihn Begegnung mit dem Fremden, Unbekannten, die sprichwörtliche Erweiterung des Horizonts. „Ich begreife das Leben als Reise“, schrieb er in einem Text über sich selbst.

Dazu gehört auch das Sich-Wundern über Probleme und gewisse Weltuntergangsstimmungen in Deutschland – „richtige Probleme sehen anders aus“, so Dieter Nuhr. Und damit ist man beim Comedian, der auf der Bühne lustvoll und ausdauernd gegen Grüne, Linke und Apokalyptiker aller Art austeilt, und dafür teilweise heftig angegangen wird.

In seinen Bildern ist davon nichts zu spüren. „Politik hat in der Kunst nichts verloren“, sagt er. Nuhr will Momente, Erinnerungsfetzen festhalten, er überarbeitet und übermalt seine Fotos digital; am Ende sind es oft riesige, und immer träumerische, meditative Arbeiten.

„Du denkst an durchfahrene Länder“, das Motto der Ausstellung, ist ein Zitat aus einem Rilke-Gedicht. Entsprechend wurden Landschaftsaufnahmen aus Japan, Äthiopien, Indien, China und weiteren Ländern zusammengestellt. Ergänzt werden sie durch gezeichnete Portraits, die freigestellt aus ihrem Kontext aus dem Bild heraus blicken. Hier wird es ein einer Ecke sogar analog: Dort hängen zwei kleine Bleistiftzeichnungen von Kinderportraits – Nuhr beherrscht also auch traditionelle Technik.

Insgesamt 35 Arbeiten werden bis zum 22. September im Mönchehaus gezeigt; um die Ausstellung zu strukturieren, wurden die Räume in verschiedenen Farben gestrichen – entsprechend den pastelligen, zurückhaltenden Tönen auf Dieter Nuhrs Bildern.

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Direktorin Bettina Ruhrberg war die Freude über den prominenten Künstler in ihrem Haus anzumerken: „Wir hoffen, dass Dieter Nuhr auch Gäste anzieht, die sich sonst weniger für moderne Kunst interessieren.“

Der Start war jedenfalls gelungen: Während sich die Eröffnungsgäste in den Ausstellungsräumen drängten signierte der Star der Veranstaltung ausdauernd Plakate und Kataloge. Gehört alles zum Job. Der Mann ist eben Profi.

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Ich bin dann im Anschluss noch ein wenig durch Goslar gelaufen: Sehr schön, sehr voll (es war Sonntag und die Sonne schien), ich werde wiederkommen – unter der Woche und mit mehr Zeit, es gibt eine Menge anzuschauen.

Dieter Nuhr im Gespräch über das Reisen und das Fotografieren

Und hier noch Ausschnitte aus einem Gespräch mit Dieter Nuhr:

Sie reisen sehr viel, ihre Kunst basiert auf Fotos, die sie unterwegs machen. Deshalb die Frage: Wie reist Dieter Nuhr? Muss ich ihn mir als Backpacker mit Rucksack vorstellen?

Auch das kommt vor. Aber wenn es geht, trage ich meine Sachen nicht auf den Rücken. Ich habe auch nie verstanden, warum eine bestimmte Art von Urlaub mit der Tragefähigkeit des Gepäcks zu tun haben soll. Ich benutze schon sehr gerne einen Rollkoffer. Aber man kommt halt in bestimmten Ländern nur auf eine bestimmte Art und Weise vorwärts.

In Indien brauche ich einen Fahrer, weil man nicht selber fahren kann. In Japan mache ich alles mit öffentlichen Verkehrsmitteln, weil einfach alles sensationell organisiert ist. Und so hat jedes Land seine eigene Art, vorwärts zu kommen.

Ich nehme an, das sind meist längere Reisen?
Unterschiedlich. In Nordkorea war ich sieben Tage und das hat auch gereicht. Da war ich schon nach vier Tagen eigentlich durch. Aber auch das ist abhängig von der Planung. Ich glaube, man kann in sieben Tagen unfassbar viel sehen, wenn man eben nicht diese klassische Backpacker-Reise macht, wo man vier Fünftel der Zeit damit beschäftigt ist, zu fragen, wo fährt denn hier der Bus, wo kann ich heute übernachten.

Sie sind ja bekanntermaßen ein sehr organisierter Mensch.

Ja, das bin ich. Aber ich lasse mich natürlich auch treiben. Ich laufe sehr gerne ungeplant durch Städte und entdecke irgendwas Kleines, was ich mir angucken möchte. Ein Trompetenverleih in Ghanas Hauptstadt Accra oder etwas, wo man denkt, was ist das denn hier? Und dann habe ich meistens Leute dabei, die weniger schüchtern sind als ich, und die dann da reingehen und fragen, wieso es in Accra einen Trompetenverleih gibt.

Die Schüchternheit nehme ich Ihnen nicht ab.

Davon lebe ich, dass die Leute mir das nicht abnehmen.

Fotografieren Sie auch zum Spaß wie ein normaler Tourist oder ist das immer mit dem Blick, was kann ich damit machen?

Ich unterteile die Fotos nachher in Bilder und Geknipstes. Natürlich mache ich auch Selfies, ist doch klar. Ich vor Taj Mahal.

Dieter Nuhr macht Selfies?

Natürlich. Ich will doch auch meine Erinnerungen haben. Ich finde das auch völlig legitim. Ich habe schon Selfies gemacht, da gab es den Begriff noch gar nicht. Es gab nur analoge Kameras. Da stand ich mit meiner Spiegelreflexkamera da und habe mich selber mit aufgenommen. Und ich finde, das ist ein völlig normaler Vorgang. Was ich nicht normal finde, ist, wenn man für ein Selfie irgendwohin fährt.

Gab es Länder, wo sie gedacht haben, Mensch, hier könnte ich leben?

Ich habe mich immer gefreut, egal wie schön es war, wenn ich wieder nach Hause kam. Ich glaube, dass sowas wie Heimat unersetzlich ist. Zu Recht fand ich immer schon schlimm, dass wir diesen Begriff der Heimat den Rechten überlassen haben. Das war ein vielleicht sogar fataler Fehler der Linken. Und gerade auch der Grünen, weil sie Angst davor hatten, mit diesen rechten Heimatleuten in eine Ecke gestellt zu werden.

Die beeindruckendsten Länder sind Länder, in denen ich niemals leben wollte. Nepal zum Beispiel. Wo ich dachte, fantastischer kann es nicht mehr werden. Aber ich würde nie auf die Idee kommen, nach Nepal zu ziehen. Unter minus 30 Grad, den Arsch abfrieren in der Nacht und morgens den Autoreifen anzünden, um sich wieder ein bisschen aufzuwärmen. Um Gottes Willen.

Als ich mir in der Ausstellung ihre Bilder angesehen habe, fand ich, dass viele aussehen als ob sie beschädigt wurden oder sich aufgelöst haben.

Grundsätzlich sind die Bilder unklar. Ich versuche nicht dokumentarisch wiederzugeben, was ich gesehen habe. Sondern eher das, was an Erinnerungen noch da ist. Meine Bilder thematisieren auch den Vorgang des Erinnerns und das Verschwinden der Bilder im Kopf hinter so einem Schleier. Oft sind nur noch ganz kleine Teile in den Bildern überhaupt Fotos. Zum Beispiel ein Horizontstreifen. Der Rest ist gemalt.

Und das ist genauso, wie unsere Erinnerung funktioniert. Wenn man nach 15 Jahren wieder an einen Ort kommt, ist man oft verwundert, wie der wirklich aussieht, obwohl er sich gar nicht so verändert hat. Weil die Bilder in der Erinnerung alles zusammendampfen auf das Wesentliche. Und das mache ich auch in den Bildern.

Also spielt das Thema Vergänglichkeit eine große Rolle?

Das Leben an sich ist ja eine Apokalypse. Weil es immer mit dem Tod endet. Es ist kein lustiger Vorgang. Und deswegen versuche ich es auch mit Humor zu nehmen.

Vergangene Woche war ich an der Hofbude von Robin Pietsch.

Und außerdem zum Eis-Test in Wernigerode.

Davor gab es eine Motorradrunde von Thale nach Pullman-City.

Hier ging es an der Teufelsmauer entlang.

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