Mit dem Brocken-Ranger auf „seinem“ Berg – und: Der Harzturm wird eröffnet!

Harzletter, der Siebenundfünfzigste.

Der Brocken!

Natürlich muss man da rauf. Nicht gerade täglich, so wie der selige Benno, aber einmal im Jahr darf es schon sein. Die Wettervorhersage war ok, es gab auch eine Idee für eine Zeitungsgeschichte und ein „Go“ aus der Redaktion, dann noch ein paar Telefonate und los.

Die Idee: Einen Brocken-Ranger treffen, an dessen täglichem öffentlichen und kostenlosen Rundgang teilzunehmen und dabei ein bisschen mehr über den Berg und seine Hüter zu erfahren.

57 Brocken Ranger Bahn

Die Anfahrt mit der Brockenbahn – ich hatte noch den Freifahrt-Gutschein der HSB als Belohnung für das Deutschlandticket-Abo – war schon mal bemerkenswert. Ich stieg in Schierke zu, fand nur noch ein Stehplätzchen außen zwischen zwei Waggons, und zockelte eingekeilt Richtung Gipfel. Kein Zweifel, der Brocken zieht die Massen an. Und über die Hälfte kommt mit der Bahn, obwohl die Fahrtpreise heftig sind: 53 Euro kostet das Hin- und Rückfahrt-Ticket für Erwachsene.

Brocken-Ranger als Sheriff des Waldes

Brocken-Ranger – da stellt man sich doch gleich eine Art kanadischen Wildhüter vor, der in seinem Revier für Ordnung sorgt und dabei einen typischen „Canadian Mountie Hat“ trägt. Gewissermaßen einen Sheriff des Waldes.

Tino Schober muss über diese Vorstellung kurz lachen. „Meine offizielle Berufsbezeichnung ist staatlich geprüfter Natur- und Landschaftspfleger“, meint er, „das klingt natürlich etwas langweiliger.“ Immerhin: den erwähnten Ranger-Hut hat er, der gehört zur Ausstattung dazu. Er wird aber nur selten getragen, bei dem üblichen heftigen Wind auf dem Brocken ist eine normale Kappe besser geeignet.

57 Brocken Ranger Tino

Seit 2009 ist Tino Schober Ranger im Nationalpark Harz. Genauer gesagt: im sachsen-anhaltinischen Teil, zu dem der Brocken gehört. Der Nationalpark ist zwar länderübergreifend, wird aber von beiden Bundesländern getrennt verwaltet. Das Gebiet in Sachsen-Anhalt umfasst 89 Quadratkilometer, darum kümmern sich 18 Ranger. Insgesamt ist der Nationalpark 247 Quadratkilometer groß.

Der Mann kennt eine Menge Brocken-Geschichten

Tino Schober und einige weitere Besucher warten schon, als ich mit der Brockenbahn den Bahnhof erreiche. Kurze Begrüßung, dann geht es gleich los.

Und es wird schnell klar: Der Mann mit der grünen Mütze und der Uniform in oliv kann erzählen – und er hat eine Menge Brocken-Geschichten präsent.

Zum Beispiel über die Brockenbahn: So war zum Ende der DDR der Verkauf aller Dampfloks und der Austausch gegen Dieselloks so gut wie beschlossen. Bis auf den Brocken fuhren zu der der Zeit nur Güterzüge, um die Einheiten in dem militärischen Sperrgebiet zu versorgen. Durch die Wende blieben die Dampfloks erhalten.

57 Brocken Ranger Gruppe
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So richtig in Form kommt Brocken-Ranger Tino Schober, als wir nach einer Wegbiegung am Brockengarten vorbeikommen. Der ist zwar schon in Winterruhe und man sieht nur vertrocknetes Gras und ein paar ziemlich krüppelige Kiefern, aber durch die lebhaften Gesten und begeisterten Erzählungen unseres Rangers wird dieses Stück Land lebendig. 1500 Pflanzen aus allen Gebirgsregionen gibt es dort – davon einige, die nur auf dem Brocken vorkommen.

Die Blütezeit der Brocken-Anemone im kommenden Frühjahr habe ich nach seinem Vortrag fest eingeplant.

Der Garten hat, wie der gesamte Berg, eine sehr wechselvolle Geschichte. 1890 wurde er angelegt, er überdauerte zwei Kriege und wurde nach dem Mauerbau und Grenzbefestigungen ab 1961 mit schlimmen Folgen sich selbst überlassen. Nach der Wende wurde er neu aufgebaut und heute steht er in alter Blüte. Beeindruckt sind wir, als Tino Schober auf eine Kiefer hinweist, die der Gründer des Gartens, Albert Peter, selbst angepflanzt hat, und die heute gerade einmal sechs Meter hoch ist. „Das zeigt, was für ein raues Klima hier auf dem Berg herrscht“, so Tino Schober.

Eisiger Wind und Katastrophen-Touristen

Apropos Klima: Zwar scheint die Sonne und die Sicht ist klar, aber der Wind ist eisig und lässt alle in der Gruppe frieren. „Der Brocken wird unterschätzt“, so Schober, „die Leute meinen, 1141 Meter sei nichts Besonderes, aber wir haben hier Hochgebirgs-Verhältnisse und die Baumgrenze liegt bei 1100 Metern. Das ist der windigste Berg Deutschlands, und der Wind ist kalt.“ Eindrücklich erzählt er von Windgeschwindigkeiten von über 150 Stundenkilometern und von „Katastrophen-Touristen“, die genau dann auf den Berg wollen. „Das gab es früher nicht, hier hat sich durch Social Media einiges verändert – und nicht zum Guten.“

Brocken-Ranger haben keine Durchsetzungs-Befugnis, wie es amtlich heißt. Das heißt, sie sollen Besucher auf Fehlverhalten ansprechen, müssen dabei aber auf den guten Willen der Adressaten vertrauen. Es sind meist die gleichen Vorkommnisse: Verlassen der Wege, nicht-angeleinte Hunde, Rauchen. Alles nicht erlaubt im Nationalpark, und meist genügt ein freundlicher Hinweis.

57 Brocken Ranger Heine

„Aber ich erlebe zunehmend, dass Leute aggressiv werden oder sogar mit einem Anwalt drohen. Die denken, der Nationalpark und speziell der Brocken sei eine Art Spielwiese. Einmal rückten Leute mit einem Grill an und wollten sich zwischen den Pflanzen niederlassen.“

Gefürchtet unter den Brocken-Rangern sind Vatertag – im Osten Männertag genannt – und Junggesellenabschiede. „Da passieren die verrücktesten Dinge, und fast immer unter Alkohol.“ Die Ranger müssen dann versuchen, die Situation zu entschärfen, möglichst ohne die Polizei zur Hilfe zu rufen. „Meist funktioniert das, man entwickelt im Lauf der Zeit ein gewisses Fingerspitzengefühl“, so Tino Schobert. Ein bisschen beneidet er die Kollegen im amerikanischen Yellowstone-Nationalpark, die er im Urlaub besuchte: „Das sind absolute Respektspersonen. Denen widerspricht niemand, die haben aber auch andere Befugnisse.“

Es gibt auch drei Brocken-Rangerinnen

Neben Führungen gehören Informations-Vermittlung zum Beispiel auf Messen sowie regelmäßige Kontrollgänge im Nationalpark zu den Aufgaben der Ranger. In Sachsen-Anhalt sind sie dem Ministerium für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten und dort wiederum dem Bereich Öffentlichkeitsarbeit zugeordnet. Und natürlich gibt es auch Rangerinnen – zur Zeit sind es genau drei.

57 Brocken Ranger Wappen

Was ist das Schöne an seinem Beruf? Tino Schoberts Antwort kommt schnell: „Dass man draußen ist, da wo andere Urlaub machen. Und die Führungen vor allem von Schulklassen. Viele Jugendliche haben heute kaum noch ein Verhältnis zur Natur. Da manchmal ein Interesse zu wecken, das macht Freude.“
Und der Brocken? „Der Brocken ist ein ganz besonderer Berg.“

Runter ging’s dann zu Fuß, rund acht Kilometer zum Parkplatz nach Schierke.
Und schon drei Tage später stand die ganze schöne Geschichte in der Braunschweiger Zeitung.

57 Brocken Ranger Seite

Mal sehen, wie die Wettervorhersage für den 10. Dezember ist: An dem Tag war Herr Goethe (damals noch ohne „von“) 1777 von Torfhaus aus das erste Mal auf dem Brocken gestiegen – da könnte man eigentlich eine kleine Gedenk-Wanderung planen.

Nochmal Brocken (und Torfhaus) und die Aufregung um den den neuen Aussichtsturm, der am 2. November endlich eröffnet werden soll. Nach etlichen Verschiebungen und Verzögerungen ist der Harzturm fertig: 65 Meter hoch, eine Rutsche gibt’s auch und der Spaß kostet für Erwachsene 15 Euro. Claim auf der Webseite: „Unvergessliche, freie Momente mitten in der Natur.“ Was Werber halt so zusammenschreiben.

Die Reaktionen sind gemischt – Vorfreude auf der einen Seite, Befürchtungen weiterer „Verrummelung“ des Harzes auf der anderen. Mastermind der Turm-Idee ist Hannes W. Mairinger, Tourismus-Manager aus Österreich, der seit 2016 in Torfhaus aktiv ist.

Ob’s funktioniert? Vorläufig werden auf Facebook-Seite des Harzturms jedenfalls noch fast verzweifelt Reinigungskräfte gesucht – es sind die vermeintlichen Kleinigkeiten, die geregelt werden müssen. Wir werden den Turm zwangsläufig im Auge behalten; er ist ja nicht zu übersehen.

Der Newsletter der vergangenen Woche über eine Nacht auf dem Campingplatz in Elbingerode findet sich hier.

Über die Weinlese in Westerhausen gibt es hier zu lesen.

Und um eine mittelalterliche Gerichtsverhandlung im Kloster Wendhusen geht es hier.

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