Harzletter, der Einunddreißigste.
Allmählich geht die Wander-Saison los – wobei im Harz ja grundsätzlich immer Wanderzeit ist.
Ich war bisher noch verhalten (oder eher faul), aber das soll sich ändern. Jedenfalls hab ich meine erste kleine Runde um den Austbergturm hinter mir, die passierte eher zufällig und das kam so:
Auf der Fahrt von Wernigerode nach Quedlinburg über die Nebenstrecke kommt man durch Benzingerode. Links von der Straße auf einer Anhöhe steht gut sichtbar ein Turm im Wald rum, und da Zeit ist und ich neugierig bin, biege ich ab und gehe mal gucken.

Besagter Turm ist der Austbergturm; es geht von Benzigerode ein paar Hundert Meter stramm bergauf, dann ist man auch schon da. Als erstes sehe ich den Stempelkasten der Harzer Wandernadel (Stempel Nr. 83), dann den Aussichtsturm in voller Schönheit. Der Austbergturm ist ein ehemaliger Wartturm, der um 1250 im Auftrag der Regensteiner Grafen erbaut wurde. Von hier aus sollten Signale gegeben werden, wenn feindlich gesinnte Truppen Richtung Blankenburg unterwegs waren.

Aber ziemlich bald wurde dieses Warnsystem nicht mehr gebraucht; schon ab dem späten Mittelalter verfiel der Turm. Erst 2006 kam die große Wende: Drei Jahre lang wurde der Turm dank Spenden grundsaniert und in großen Teilen neu aufgebaut. Jetzt führt eine Wendeltreppe hinauf auf 9,20 Meter Höhe und von dort hat man eine schöne Aussicht auf Benzigerode und den Harzhöhen im Hintergrund.
Und weil ich schon mal da bin, mache ich gleich eine Runde durch das Austberggebiet; keine große Sache, insgesamt nur ein paar Kilometer, aber ein angenehmer Weg mit beständigem Ausblick Richtung Harz. Und ich nehme mir vor: Ab sofort wird richtig losgewandert.
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Schöner Fund im Netz: Auf archive.org, einer Non-Profit-Bibliothek mit reichlich Büchern, Filmen, Webseiten etc., die alle frei zugänglich sind, entdecke ich „Meyers Reisebücher: Harz“ in der Ausgabe von 1889. Zu der Zeit war der Harz bereits touristisch voll erschlossen und der Bedarf an Reiseinformationen groß. Meyers Reisebücher waren Klassiker und erfolgreich, weil sie ausführlich und kompetent über die damaligen Ziele informierten. Dazu kommen erstklassige Karten, die aufwändig produziert wurden.

Heute liest sich vieles eher humoristisch oder auch rätselhaft; einige Informationen stimmen auch heute noch und manche Ratschläge kann sich der Harzreisende weiterhin zu Herzen nehmen („Wer nicht geübter Fußgänger ist, möge vor Antritt seiner Harzreise in denjenigen neuen Schuhen, welche er zu benutzen gedenkt, einige Übungsmärsche machen. Auf der Reise selbst wird früh ausmarschiert; wer es ertragen kann, nehme den Kaffee erst nach 1 ½-2stündiger Tour. Der Marsch in frischer Morgenkühle, bei vollen Kräften, bringt am leichtesten vorwärts. Ganz besonders ist er für Bergbesteigungen anzuempfehlen.“).
Besonders gut gefallen haben mir die Abschnitte über Reisekosten – die haben sich inzwischen natürlich stark erhöht – und über Gasthausregeln.
Reisekosten. Der Harz gehört nicht zu den billigen Reisegegenden Deutschlands. Im Verhältnis zu dem oft sehr bescheidenen Komfort am wenigsten gerechtfertigt sind die hohen Preise in den vielbesuchten Orten am nördlichen Harzrand. Billiger und gemütlicher ist der Aufenthalt am Südrand des Harzes. Selbstverständlich richten sich die Reisekosten nach den Ansprüchen, welche der Fremde bezüglich Unterkunft und Verpflegung stellt. Wer alle bequemen Verkehrsmittel benutzt, stets Führer und Träger zur Seite hat, in den ersten Gasthöfen wohnt und nicht die billigsten Weine auf der Karte auszuwählen gewohnt ist, braucht wohl täglich 20 M.; Fußgänger mit bescheidenen Ansprüchen an Küche und Keller können (Führer, Eisenbahn und Post nicht eingerechnet) mit täglich 10 M. anständig auskommen.

Einige Gasthausregeln. Man erkundige sich gleich bei der Ankunft nach dem Preise des Zimmers etc. Kurz vor der gemeinsamen Table d’höte verlange man nie aus übel angebrachter Sparsamkeit ein bescheidenes Gabelfrühstück; man muß meistens ebensoviel dafür bezahlen wie für eine vollständige Mahlzeit. Wer am andern Morgen früh Abreisen will, berichtige schon am Abend vorher seine Rechnung. In allen guten Gasthöfen erhält der Reisende schriftliche Rechnung; man prüfe dieselbe und addiere sie. Während der hohen Reisezeit suche man in den vielbereisten Gegenden abends beizeiten sein Gasthaus zu erreichen, um nicht der Unannehmlichkeit ausgesetzt zu sein, erst nach langem Umherirren in später Nacht ein Unterkommen zu finden. Wer längere Zeit in einem besuchten Gasthof verweilt, thut wohl, stets Tagesrechnung zu verlangen.
Und wer jetzt auf Anhieb etwas mit dem Wort „Gabelfrühstück“ anfangen kann, ist entweder Thomas-Mann-Leser(in) oder kennt sich generell ziemlich gut aus und hat meinen uneingeschränkten Respekt.
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Den Newsletter über die anstehende Walpurgisnacht, und was es mit den Hexen auf sich hat, findet sich hier.
Über die Teufelsmauer bei Weddersleben gibt’s hier zu lesen.
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