Harzletter, der Einhundertsiebzigste.
Es wird wieder Zeit für ein bisschen Dampflok-Gefühl. HSB – drei Buchstaben, bei denen Eisenbahnfans einen verträumten Gesichtsausdruck bekommen. 140 zusammenhängende Streckenkilometer Nostalgie. Das ist einmalig Deutschland. HSB ist übrigens die Abkürzung von (wahlweise) Harzer Schmalspurbahnen GmbH oder Harzquer-, Selketal- und Brockenbahn – das sind die drei Strecken, die im Harz ganzjährig befahren werden.

Vor allem im Winter kommt so eine Dampflok richtig stimmungsvoll rüber. Wenn die Temperaturen sinken, kommt der Rauch noch romantischer zur Geltung, und es muss nicht mal Schnee liegen, damit es einem beim optischen und akustischen Erleben einer Dampflok sehr kuschlig zumute wird.
Vor ein paar Tagen habe ich dieses eher zufällig entstandene Video eines abfahrenden HSB-Zuges in der Abenddämmerung auf Instagram gepostet. Das wurde ziemlich schnell geteilt und ging viral; während ich sonst für meine kleinen Harz-Postings gerade mal dreistellige Zugriffszahlen erreiche, wurde dieses Video bisher knapp 2.000 mal aufgerufen. Dampflok läuft fast so gut wie niedlicher Katzen-Content.

Quedlinburg ist bekanntlich eine Endhaltestelle der Selketalbahn. Also ist der Weg für mich zum kleinen Nostalgie-Trip zwischendurch nicht weit. Noch besser: Die HSB ist im Deutschlandticket inbegriffen. Nur der Abschnitt von Drei Annen Hohne rauf auf den Brocken kostet in jedem Fall. Und dann auch richtig: Der Brocken macht für Erwachsene hin und zurück 57 Euro, der Nachmittagstarif ist 10 Euro günstiger.
Alle wollen mit der Dampflok auf den Brocken
Das ist ok; denn auf den Brocken wollen alle, die Züge sind bei einigermaßen erträglichem Wetter fast immer proppevoll, und irgendwo muss das Geld für den Unterhalt der Dampfloks, der historischen Wagen und der Strecke ja herkommen. Doch bei allem Andrang – die HSB ist eine der Haupt-Touristenattraktionen – reichen die Einnahmen bei weitem nicht aus.

Erst vor ein paar Tagen wurde der Betrieb für die nächsten zwei Jahre gesichert. Die HSB wird sowieso jährlich vom Land Sachsen-Anhalt mit neun Millionen Euro unterstützt, doch das Geld würde schon kurzfristig nicht reichen. Deshalb wurde der Zuschuss für 2026 und 2027 auf jeweils 20 Millionen Euro aufgestockt. Natürlich sind daran Bedingungen wie die Erstellung eines Sanierungskonzeptes geknüpft, damit die HSB möglichst bald einigermaßen wirtschaftlich weiterbetrieben werden kann.
Ein Beratungsunternehmen hatte in einem Gutachten für die nächsten 20 Jahre einen Finanzbedarf von insgesamt rund 800 Mio. Euro errechnet – 544 Mio. Euro Investitionskosten und 253 Mio. Euro für den laufenden Betrieb. Das sind knackige Zahlen; ich schätze, demnächst werden die Ticketpreise fühlbar ansteigen, ist ja meist die erste Sofortmaßnahme, die intern am wenigsten Stress macht. Die Züge, zumindest die auf den Brocken, werden voll bleiben.

In der Selketalbahn geht es übrigens weitaus idyllischer und weniger zusammengedrängt zu als auf der Brockenstrecke. Außerdem stehen da noch jede Menge Bäume, das hebt die Stimmung zusätzlich.
Was bei der HSB ebenfalls standardmäßig dazugehört, sind die Dampflok-Fotografen. Ich meine nicht die normalen Touristen, die ihre Handys rausholen, wenn so ein Zug vorbeirollt oder im Bahnhof anhält. Ich meine die Profis, die sich mit Kennerblick an den fototauglichsten Stellen irgendwo im Gelände postieren, um mit Teleobjektiv und Stativ zum Teil lange warten, bis die Bahn vorbeidampft. Das sind wirklich positiv Bekloppte, Trainspotter, die sich genau auskennen bei den Loks, den Fahrplänen und überhaupt allem, was mit historischen Eisenbahnen zu tun hat.

Gern würde ich mal einen begleiten, wenn er auf Fotopirsch geht – falls das hier also zufällig jemand liest, der/die sich angesprochen fühlt: bitte eine Mail schicken. Ich komme mit, und höre mir gern alle Geschichten über alle bereits fotografierten Dampfloks an. Und falls jemand einen kennt, der einen kennt, der die HSB im Visier hat: Ich bin für alle Informationen dankbar.
Die Historie der Harzer Schmalspurbahn
Noch ein bisschen HSB-Historie:
1887 wurde die erste Schmalspurstrecke zwischen Gernrode und Mägdesprung durch die „Gernroder-Harzgeroder Eisenbahn-Gesellschaft“ eröffnet. 1896 kam eine zweite Gesellschaft, die „Nordhausen-Wernigerode Eisenbahn-Gesellschaft“ dazu. Die nahm 1898 den Betrieb zwischen Wernigerode und Nordhausen und hoch zum Brocken auf. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Schmalspurbahn hauptsächlich zum Gütertransport genutzt, nach der Wende kam der Tourismus in Gang.

Die heutige HSB wurde 1991 gegründet, das Streckennetz wurde seitdem modernisiert und moderat ausgebaut. Neue Streckenabschnitte sind in Planung: Braunlage soll einen Anschluss erhalten, und die Westernstadt Pullman City träumt ebenfalls von einer Dampflok-Anbindung. Es wäre nicht nur für Cowboy-und-Indianer-Fans natürlich ein Traum, in die Westernstadt stilecht mit einem Westernzug einzulaufen (im Kopf erklingt doch sofort die Mundharmonika-Melodie von „Spiel mir das Lied von Tod“).
Meine Empfehlung: Eine kleine Nachmittags-Wanderung raus zu einem der Bahnhöfe auf der Strecke und von dort zurück mit Dampflok-Antrieb oder mit dem historischem Schienenbus. Alternativ in der Dämmerung zu einem der Bahnhöfe beziehungsweise irgendwo an die Strecke rausfahren und dort in aller winterlichen Ruhe den Zug vorbeidampfen sehen und hören.
Das ist Harzer Winter-Wonderland vom allerfeinsten.
Hier kann man einen Vorgeschmack sehen: Die Webcam-Seiten der HSB.
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Vergangene Woche ging es um die Bergweihnacht auf der Grube Glasebach.
Hier ich zum ersten Test in den neu eröffneten Cafés „Va Liés“ und „Nica“ in Quedlinburg.
Davor ging es um Advent in den Höfen und besondere Harz-Weihnachtsmärkte.
Dann war da noch eine Radtour über den Klosterwanderweg.
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