Harzletter, der Einhunderteinundzwanzigste.
Endlich kalt, endlich Schnee, endlich Ackerloipe! Es geht doch noch was mit Wintersport im Harz. Und weil die Wochenend-Wettervorhersage stimmte (ja, das kommt vor!), war ich bestens vorbereitet.
Es sollte in den vergangenen Tagen schneien (es schneite heftig!), es sollte kalt werden und bleiben (es wurde kalt und blieb so), und es sollte am Wochenende die Sonne herauskommen (sie kam – zumindest zeitweise). Deswegen hatte ich vorausschauend die Langlaufski rausgekramt und alles, was man sonst so für die Loipe braucht. Und ich hatte mir die Ackerloipe in der Nähe von Altenau ausgesucht, denn: Sie liegt im Westharz, wo mehr Schnee als im östlichen Teil zu erwarten war, sie ist als leicht eingestuft (Hej, ich bin Anfänger!), und mit rund 14 km ist sie trotzdem einigermaßen fordernd.
Also: Samstag früh den Wecker gestellt, mit verschlafenen Augen alles zusammengepackt und los. Um neun in Torfhaus am Harzturm vorbei – ein paar Rodler sind schon unterwegs – dann weiter zur Abzweigung Richtung Clausthal-Zellerfeld. Durch Sonnenberg durch und schließlich links auf den Parkplatz, der erst locker gefüllt ist.
Unterwegs im Rückspiegel ein Sonnenaufgang nach Maß, dazu Van Morrison im CD-Spieler – ja, ich bin so altmodisch! – Tage könnten schlechter anfangen.
Vom Parkplatz aus ein paar Meter laufen bis zum Beginn der Ackerloipe. Ski einklinken und los geht’s. Die Bedingungen sind ziemlich perfekt: Ein paar Grad unter Null, der Schnee noch pulvrig und gut gespurt, kaum Wind, klare Sicht, wenn auch keine Sonne.
Und dann die Umgebung: „Auf dem Acker“ heißt das Gelände rechts neben mir, daher der Name der Ackerloipe. Der höchste Punkt misst 865 Meter, da führt die Spur zum Glück weiträumig drumrum. Das Beste sind die romantisch tiefverschneiten Fichten, da stören die paar abgestorbenen Baumstümpfe zwischendurch kaum.
Als Anfänger auf der Ackerloipe
Ich bin überhaupt erst zum dritten Mal auf Langlaufski unterwegs, meine Premiere hatte ich vergangenes Jahr in Friedrichsbrunn – siehe hier. Mein Ski-Gefühl ist ziemlich wacklig, ich lasse es langsam angehen, will auf keinen Fall umfallen – nicht weil mir das peinlich wäre, sondern weil ich weiß, dass das Aufstehen mit Ski an den Füßen mit den Jahren nicht leichter fällt.
Es ist um diese relativ frühe Tageszeit noch wenig los auf der Ackerloipe und im Winter-Wunder-Wald. Das ist auch gut so, auf die Art kann ich es entspannt angehen lassen und in aller Ruhe versuchen, mich auf die ungewohnte Fortbewegungsart einzustellen. Ein bisschen Alpin-Erfahrung habe ich ja, eine blaue oder schwarze Piste schreckt mich nicht, aber das hier …
Vermutlich sieht meine Fortbewegungsart nur mäßig elegant aus – dabei stelle ich mir genau vor, wie ich locker, leicht und mühelos durch den Schnee gleite. Aber zumindest bisher nicht das Gleichgewicht verloren, ist ja auch was wert.
Eleganz und Mühelosigkeit erkenne ich bei denjenigen, die mich nach und nach überholen, darunter erschreckend viele Frauen. Wie machen die das? Nehmen die Ackerloipe ganz entspannt in Angriff und unterhalten sich oft dabei noch. Zumindest werde ich von Entgegenkommenden freundlich gegrüßt – oder ist das schlecht verstecktes Mitleid?
Egal, ich versuche einen Rhythmus zu finden, das hier ist ja kein Wettbewerb. Außerdem ist die Natur viel zu schön, um sich überflüssige Gedanken zu machen. So fast allein durch den Schnee zu gleiten (na ja) ist einfach maximal entspannend und hat etwas sehr Meditatives. Wenn dann noch links von mir die Sonne kurz durch die Wolken bricht, kommen fast feierliche Gefühle hoch. Die vergehen, wenn die ersten Mit-Läufer im Wettkampfmodus auftauchen. Entweder schwer atmend von hinten oder von vorn mit starrem, leicht verzerrten Gesichtsausdruck. Und zack!, sind sie vorbei, natürlich ohne Gruß und ohne einen Blick nach rechts oder links.
Die Klassifizierung „leicht“ stimmt für die Ackerloipe genau. Es geht sehr sanft bergauf und bergab – insgesamt etwa 200 Höhenmeter – nirgendwo wird es wirklich anstrengend. Die Bergab-Passagen lassen sich locker gleiten, kein Problem. So komme ich nach einer guten Stunde und sieben Kilometern an meinem Zielpunkt an: Der Kreuzung, wo es nur zu Fuß ein paar Hundert Meter weiter zur Hanskühnenburg geht. Dort soll man einkehren können und angeblich gibt es von dort ein weitere ungespurte Loipe zurück zum Parkplatz.
Ich überlege, berate mich mit einem erfahren aussehenden Ski-Veteranen neben mir. Der rät mir ab: „Das ist keine gute Idee.“ Noch schnell ein paar Fotos, dann geht’s den gleichen Weg zurück.
Der Weg zurück wird mühsam
Aber was heißt schon gleicher Weg? Aus der umgekehrten Richtung sieht alles wie neu aus. Und die, die mir jetzt entgegen kommen, haben den Weg, den ich schon gelaufen bin, noch vor sich. Das spielt zwar keine Rolle, ist aber trotzdem irgendwie ein gutes Gefühl.
Aber die Ackerloipe zieht sich, die Oberschenkel sind auch nicht mehr ganz frisch, Schulter und Rücken machen sich bemerkbar. Ungewohnte Bewegungen, kein Wunder. Ich bleibe tapfer, mache weiter und zähle die Kilometerschilder ungeduldig mit: Noch 5, noch 4, noch 3 km, komisch, dass das so langsam geht.
Jetzt bin ich der, der mit starrem Blick und leicht verzerrtem Gesicht vorwärts stapft, mit der Eleganz geht es auch eher bergab. Trotzdem bleibt es schön, und ein Blick in die Landschaft ist auch immer noch drin. Nebel zieht auf und macht alles geheimnisvoll und noch stiller. Ich träume von einer sehr heißen Dusche und einem späten zweiten Frühstück.
Und dann passiert es doch. Die Ski geraten kurz übereinander, und ich kann das verlorene Gleichgewicht nicht mehr abfangen. Ich falle um wie ein Stück Holz, lande zum Glück weich, nix passiert, aber das Aufstehen ist keine Kleinigkeit. Sie wissen schon: die Jahre.
Klappt natürlich irgendwie doch, und dann ist da auch schon der letzte Kilometer. Angenehmerweise nur noch leicht bergab, und dann: geschafft!
Mal wieder durchgekommen, mal wieder ein schönes neues Harz-Erlebnis. Schnell die Wettervorhersage checken: Morgen soll es auch wieder schön werden und kalt bleiben. Da könnte ich doch … Mal sehen. Vielleicht nehme ich mir aber den Tipp des Ski-Veteranen von unterwegs zu Herzen: Wenn es geht, das Wochenende meiden.
Was er meinte, sehe ich auf der Rückfahrt: Die Straßen sind rappelvoll geparkt, in Torfhaus ist inzwischen die Hölle los, die anfahrenden Autos stauen sich bis weit Richtung Bad Harzburg den Berg hinunter. Das ist nicht meine Welt, der kurz in Erwägung gezogene Stopp beim „Wienerwald“ fällt aus, ich fahre mit Van Morrison der Dusche entgegen.
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Hier geht’s ebenfalls um Ski und Rodel.
Davor ging es um die Restaurierungen in Quedlinburg: Stiftsberg und Fleischhof.
Dann feierten wir Bergweihnacht auf der Grube Glasebach.
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Auf Instagram findet der Harzletter auch statt: www.instagram.com/harzletter.de/