Harzletter, der Dreiundsiebzigste.
Nach dem Karneval ist vor dem Besuch der Talsperre Wendefurth – aber zuerst muss ich ein paar Informationen zum Harzletter der vergangenen Woche loswerden.
Meine Schilderung des närrischen Abends in Stiege (siehe hier) ging umgehend viral: Allein in den beiden folgenden Tagen hatte mein harzletter.de so viele Zugriffe wie sonst in einem ganzen Monat – es machte schon Spaß, das zu verfolgen. Und es war natürlich auch eine schöne Bestätigung, dass dieses wöchentliche Geschreibsel manchmal sogar zur Kenntnis genommen wird.
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So, damit genug Reklame.
Anfang dieser Woche habe ich im Rahmen des Harzer Kulturwinters die Talsperre Wendefurth besucht. Der Kulturwinter war ein Bündel von Freizeit-Angeboten vom 1. bis 11. Februar im gesamten Harz. Darunter Winterfeste, Taschenlampen-Führungen, Besuche beim Schlossgespenst et cetera. Und eben diese Führung durch das Innere der Talsperre Wendefurth. Fand ich interessant.
Schnelle Anmeldung zur Besichtigung der Talsperre Wendefurth
Also: Anruf bei Ute Dorn, Mitarbeiterin in der Öffentlichkeitsarbeit des „Talsperrenbetrieb Sachsen-Anhalt“, und ich kann noch am selben Tag dabei sein.
Zur Einführung wird ein ganz informativer Film gezeigt, dann geht es ins Innere – immer einen langen Kontrollgang entlang.
Gleich mal ein Sprung zum beeindruckenden Ende der Führung: Als wir nach einem längeren Weg um eine Kurve biegen, öffnet sich plötzlich der Tunnel und die 15-köpfige Besuchergruppe blickt etwas ratlos auf den nackten Fels. In den ist noch etwa zehn Meter tief ein Gang geschlagen, dann ist Schluss. Am gemauerten Tunnelende stoppt uns eine schlichte rot-weißes Absperrstange und ein Warnschild.
Hier hört die Talsperre Wendefurth ganz unspektakulär auf.
Über unseren Köpfen rund 40 Meter massiver Beton, links von uns das Wasser der Talsperre.
„Das ist der sogenannte tote Stollen“, erklärt Ute Dorn.
Da der Harzer Winter mangels Schnee gerade leider weitgehend ausfällt, bietet sich eine Talsperren-Erkundung geradezu an. Die Sperre in Wendefurth gehört zum Bodewerk, einem größeren System von Stauseen, dessen bekanntester und größter die Rappbode-Talsperre ist. Das Bodewerk stellt vor allem die Trinkwasserversorgung großer Teile von Sachsen-Anhalt sicher und dient außerdem dem Schutz vor Hochwasser.
Talsperre, das habe ich mir immer ganz simpel vorgestellt: Ein möglichst langes Tal, ein Flüsschen und eine Mauer – fertig. Im Prinzip funktioniert es auch so, aber wer hätte gedacht, dass eine Staumauer löchrig ist wie ein Schweizer Käse? Sie ist durchzogen von Gängen und Schächten, die im Wesentlichen dazu dienen, sie zu überwachen. Denn es wäre die größte denkbare Katastrophe, wenn so ein Damm unbemerkt instabil werden würde.
Die Talsperre Wendefurth wurde zwischen 1957 und 1964 errichtet, die Mauer ist 43,5 Meter hoch und der See umfasst etwa 78 Hektar. Rund 115.000 Kubikmeter Beton wurden verbaut – das sind gewaltige Zahlen, die auch die Jüngsten unserer Besuchergruppe beeindrucken. Es sind einige Familien mit Kindern auf Besichtigungstour; keine schlechte Alternative, wenn das eigentlich geplante Schlittenfahren ausfallen muss.
Fast ehrfürchtig betreten wir nach der Einführung hinter Ute Dorn die Staumauer. Zwei Türen gibt es ins Innere, dann geht es durch lange, beleuchtete Gänge immer die Treppen hinunter. Verschiedene Messinstrumente stehen in den Nischen; das wichtigste sind mehrere Lote, die jeweils an einem 23 Meter langen Draht hängen. So wird ganz analog festgestellt, wie weit sich die Staumauer bewegt. Denn durch den Druck des Wassers – vor allem, wenn die Talsperre gut gefüllt ist – geraten auch die tonnenschweren 16 Segmente der Mauer in Bewegung. Zwar nur millimeterweise, aber das muss ständig überwacht werden. Beim großen Hochwasser 1994, so berichtet Ute Dorn, habe sich die Dammkrone um rund einen Zentimeter geneigt und sei anschließend wieder in die Ursprungsposition zurückgekehrt.
Dann geht es durch eine Rechtsabzweigung in die „Schieberkammer“. Hier reguliert der Staumeister, wieviel Wasser durch die Staumauer weiter in die Bode fließt. Durch zwei imposante blaue Leitungen wird das gestaute Wasser geleitet; zwischen ihnen gibt es seit 2009 eine Turbine, die umweltfreundlichen Strom erzeugt. Dieser Wasserdurchfluss erzeugt mächtig Lärm; eine Talsperre ist zumindest stellenweise keine beschauliche Angelegenheit.
Wir betreten anschließen den „Servoraum“, wo wir zwei riesige Schieberegler bestaunen und landen zum Schluss am „Toten Stollen“.
Respekt vor der Ingenieursleistung
Von Station zu Station wächst der Respekt vor so einer Anlage. Ute Dorn merkt man den Stolz auf „ihre“ Talsperre an. „Was hier geschaffen wurde, ist eine ganz große Ingenieursleistung“, sagt sie, und erwähnt noch, dass die Rappbode-Talsperre 2022 als „Historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland“ ausgezeichnet wurde. Mit diesem Titel dürfen sich nur sehr ausgesuchte Bauwerke, wie das Olympia-Zeltdach in München, der Alte Elbtunnel in Hamburg oder die Göltzschtalbrücke im Vogtlandkreis schmücken.
Der Weg zurück geht stramm bergauf; wir waren tief in die Staumauer der Talsperre Wendefurth hinabgestiegen. Die eigentliche Führung ist beendet, aber nach so vielen Informationen und Eindrücken muss man sich ja auch die Sperre selbst einmal ansehen.
Der Wasserstand ist niedrig, die Seeterrasse „Zum Hecht“, wo man im Sommer wunderbar mitten im See relaxen und Tretboot fahren kann, dümpelt zugesperrt im Wasser, es sind auch keine Wasservögel zu sehen oder zu hören. Der Harzer Hexenstieg führt genau hier vorbei – aber an einem Wintertag geht es auch darauf ruhig zu.
Wer jetzt Action sucht, muss nur ein paar Kilometer weiter zum Parkplatz an der Rappbode-Talsperre fahren. Von da geht es auf die Hängebrücke: 480 Meter lang und in etwa 100 Meter Höhe kann man auf schwankendem Boden mit freiem Blick nach unten das Tal überqueren. Da schießt Adrenalin in jede Blutbahn, das ist nichts für Höhenängstliche.
Wem das noch nicht reicht, der kann sich auch kopfüber an einem Seil (Zipline) in die Tiefe stürzen. Nicht ganz billig, aber auf jeden Fall ein nachhaltiges Erlebnis.
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Hier noch ein Ausschnitt aus der Volksstimme vom 5. Februar – ich durfte mein Karnevalserlebnis auch dort ausbreiten. Nice.
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Vor dem Karneval liefen wir Ski in Friedrichsbrunn
Hier waren wir entlang der Bode unterwegs.
Hier wanderten wir zum Bärendenkmal und zur Teufelsmühle.
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