Ein besonderes Straßenschild, eine Imbiss-Bude und das Steigerlied

Harzletter, der Sechsundzwanzigste.

Jedesmal, wenn ich in Quedlinburg an der Ecke Blasiistraße / Hohe Straße vorbei komme – und das passiert ziemlich oft, denn das ist der direkte Weg zum Stiftsberg – wundere ich mich über ein unscheinbares Straßenschild auf kyrillisch. Блазиштрасе steht da neben dem gewohnten Straßenschild Blasiistraße. Und Блазиштрасе heißt – genau – Blasiistraße auf kyrillisch.

26 Schild

Wieso?

Wie so oft half mir schließlich Herr Google weiter. Auf Wikipedia heißt es:
Das Schild geht auf eine Forderung der sowjetischen Besatzungsmacht zurück, wonach neben Orts- und Straßennamen auch jeweils kyrillische Beschriftungen zu setzen waren, um Angehörigen der Besatzungstruppen die Orientierung zu erleichtern. Während vergleichbare Schilder andernorts später entfernt worden waren, wurde das Schild an der Blasiistraße 16 nach einer Fassadenreinigung wieder sichtbar. Schau an, der Russe.

Das Haus, an dem sich besagtes Schild befindet, ist auch sonst interessant. Natürlich denkmalgeschützt, zum Glück schön instandgesetzt. Das jetzige Aussehen stammt im wesentlichen aus dem Jahr 1780. Für Fachleute: Das Fachwerk ist in der Form des Ständerrhythmus errichtet. Die Gefache sind mit Ziegelsteinen ausgemauert. Darüber hinaus besteht eine Profilbohle.

Das Adressbuch der Hausbesitzer der Stadt Quedlinburg von 1878 weist einen Kaufmann namens Koch als Besitzer des Hauses aus.Um 1900 beherbergte das Haus unter dem Namen L. Beilfuß ein Geschäft für Südfrüchte und Delikatessen (siehe Foto).

Ich werde jetzt nicht zum Guide, der nach und nach die Häuser durchgeht – das machen die Stadtführer besser. Besonders die Rundgänge in der Dämmerung sind informativ und sehr unterhaltsam. Es gibt ja genug süffige Geschichten, die sich im Laufe der Jahre in den Häusern und Straßen abgespielt haben – und weil so viel Altes erhalten ist, kann man sich alles leicht vorstellen und ausmalen.

Breaking News: Robin Pietsch, der Sternekoch aus Werningerode, macht eine Imbiss-Bude auf. Direkt vor seinen beiden beiden Gourmet-Tempeln „Pietsch“ und „Zeitwerk“ steht jetzt die „Ruf-Bude“. Eine Holzbude, in der ab April von Mittwoch bis Sonntag von 12 bis 22 Uhr handfest und volkstümlich serviert wird: Suppe, Brotzeit, ein Glas Wein. Highlight: die Möhrensuppe nach Pietschs Oma Christa. Wir bleiben dran und werden probieren.

„Glück auf, Glück auf! Der Steiger kommt“ ist ab sofort Immaterielles Kulturerbe in Deutschland. Das hat die Kulturministerkonferenz am 15. März entschieden.
Und da der Bergbau im Harz keine kleine Rolle gespielt hat und die Tradition in vielen Vereinen noch lebendig ist, gehört das Steigerlied auch zum Harz dazu (und nicht nur ins Ruhrgebiet, wo es unter anderem vor jedem Schalke-Heimspiel mit allen Strophen im Stadion gesungen wird).
Die Ursprünge des Steigerlieds reichen bis ins 16. Jahrhundert zurück. Der erste Beleg einer öffentlichen Aufführung findet sich in der Beschreibung einer Festveranstaltung 1678 zu Ehren des sächsischen Kurfürsten Johann Georg II. in Schneeberg.

Und weil es Kulturerbe und überhaupt schön ist, hier der komplette Text zum Mitsummen:

Glückauf, Glückauf; der Steiger kommt; und er hat sein helles Licht bei der Nacht, und er hat sein helles Licht bei der Nacht; schon angezünd’t, schon angezünd’t.

Schon angezünd’t, das wirft sein‘ Schein; und damit so fahren wir bei der Nacht, und damit so fahren wir bei der Nacht; ins Bergwerk ein, ins Bergwerk ein.

Ins Bergwerk ein, wo die Bergleut sein; die da graben ja das Silber und das Gold bei der Nacht, die da graben das Silber und das Gold bei der Nacht; aus Felsgestein, aus Felsgestein.

Der eine gräbt das Silber, der andere gräbt das Gold; doch dem schwarzbraunen Mägdelein bei der Nacht, doch dem schwarzbraunen Mägdelein bei der Nacht; dem sein Sie hold, dem sein Sie hold.

Ade Ade, Ade Ade; Herzliebste mein; denn da drunten im tiefen finstern Schacht bei der Nacht, denn da drunten in dem tiefen finstern Schacht bei der Nacht; da denk ich dein, da denk ich dein.

Und kehr ich heim, zur Liebsten mein; dann erschallet des Bergmanns Gruß bei der Nacht, dann erschallet des Bergmanns Gruß bei der Nacht, Glückauf Glückauf, Glückauf Glückauf.

Wir Bergleut sein kreuzbrave Leut! denn wir tragen das Leder vor dem Arsch bei der Nacht, denn wir tragen das Leder vor dem Arsch bei der Nacht; und saufen Schnaps, und saufen Schnaps.

Den Newsletter der vergangene Woche über einen der markantesten Lost Place im Harz gibt’s hier.

Ein Besuch im Bahnbetriebswerk der Harzer Schmalspurbahn findet hier statt.

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