Harzletter, der Vierundzwanzigste.
„DDR-Kaffee 2.0 – planwirtschaftlich geröstet – mit grenzüberschreitenden Aromen.“ Das ist doch eine Ankündigung, bei der nicht nur Ostalgikern schlagartig der Puls nach oben geht. Gefunden habe ich dieses Nostalgie-Produkt im Regionalladen Harz in Quedlinburg.
Und ich gebe zu, ich finde sowas ziemlich witzig. Deswegen habe ich auch gleich eine Packung gekauft. Ganze Bohnen natürlich – der Kaffeeliebhaber mahlt selbst frisch vor jedem Aufbrühen. Geschmacklich angekündigt ist: „Karamell-Popkorn, Rohkakao, schmelzig, säurearm.“ Kaffee-Lyrik, schon ok. Das Ergebnis ist jedenfalls sehr akzeptabel. Der Preis eher kapitalistisch-profitmaximiert: 8,50 Euro für ein Viertelpfund. Die Arbeiterklasse wird da wohl nicht Schlange stehen.
Kaffeerösten ist jetzt nicht gerade Harz-Kernkompetenz. Und die DDR-Kaffee-2.0-Leute kommen aus Ascherleben, das liegt auch nicht in Brockennähe. Aber wir wollen mal nicht so streng sein, schließlich ist guter Kaffee in Ost- wie in Westdeutschland Herzensangelegenheit. (Wer kennt noch die weihnachtlichen Päckchen nach „drüben“, in denen immer eine Packung Jakobs Krönung rein gehörte?)
Spannend der Text auf der Rückseite der Kaffee-Verpackung: „Zwei Regierungsabkommen wurden 1980 und 1986 (mit Vietnam) geschlossen. Sie sagen den Anbau der Canephora Pflanze – auch Robusta genannt – auf einer Fläche von 8600 Hektar im Hochland vor, die DDR lieferte Maschinen und Ausrüstungen. Für 20 Jahre sollte dafür die Hälfte der in Vietnam erzielten Kaffee-Ernte für den deutschen Bruderstaat bestimmt sein. Die erste verwertbare Ernte war für 1990 geplant. Da wurde die DDR bereits abgewickelt. Für Vietnam aber lohnte sich des Geschäft: Das Land stieg in der Folgezeit zum weltweit zweitgrößten Kaffeeproduzenten nach Brasilien auf. Deutschland ist einer der Hauptabnehmer für Kaffee aus Vietnam.“
Wusste ich bisher nicht. Und beim Googeln stieß ich auf „Kaffeekrise in der DDR“ und lernte, dass es um 1977 zu einem Versorgungsengpass mit Kaffee kam (der Weltmarktpreis war in Folge von schlechten Ernten angestiegen). In der DDR wurde als Folge unter anderem ein „Kaffee-Mix“ angeboten, der natürlich nicht akzeptiert und als „Erichs Krönung“ verspottet wurde (Sowas finde ich auch lustig).
Und so kam Vietnam ins Spiel. Und jetzt macht die beiden sympathischen Jungs der Aschersleber „Kaffeemänner Rösterei“ genau da weiter. Ihre Röst-Mischungen vertreiben sie in ziemlich vielen Läden im Harz und anderswo, online kann man sich leider noch nichts schicken lassen.
Und wo wir gerade beim Kaffeerösten sind, taucht natürlich die Frage auf: Wo gibt’s das sonst im Harz? Einen weiteren Standort kenne ich gut, nämlich das Café Samocca in Quedlinburg. Hier steht die Rösttrommel mitten im Café (siehe großes Foto) und man kann seinen Bedarf vorn am Tresen entspannt mitnehmen. Das Samocca ist außerdem Hotel und Hostel und ein Inklusionsprojekt, da die Lebenshilfe dort involviert ist und Menschen mit Behinderung gleichberechtigt mitarbeiten. Sehr angenehme Atmosphäre, sehr guter Kuchen und natürlich bester Kaffee.
Und dann habe ich noch die „Kaffee Manufaktur Schnibbe“ entdeckt, die seit 2007 in Bad Lauterberg röstet. Ausgezeichnet von der Zeitschrift „Der Feinschmecker“ als eine der besten Röstereien in Deutschland. Die sind eine Nummer größer als die Kaffeemänner, haben einen eigenen Webshop, in dem man neben Kaffee auch Kaffeemaschinen, Zubehör und allerhand Schnickschnack bestellen kann. Wobei Schnibbe in Bad Lauterberg fast alles abdeckt: Café, Konditorei, Ferienwohnungen, Rösterei – alles Schnibbe. Muss ja nicht schlecht sein, im Gegenteil.
Darauf erst einmal ein Tässchen, schwarz und stark bitte.
Und falls jemand weitere Harz-Röster/innen weiß: immer her damit an info@harzletter.de, ich bin dankbar für jede Weiterbildung.
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