Harzletter, der Vierundneunzigste.
Seit Anfang dieser Woche ist Quedlinburg gefühlt nur noch Klopstock. Sonderführung, Festakt, Theaterpremiere, sogar ein Klopstock-Wein wurde aufgetischt. Zum 300. Geburtstag des berühmtesten Sohnes der Stadt werden alle Register gezogen.
Ein Höhepunkt war die Klopstock-Sonderführung am 1. Juli. Die erschien zu Beginn wie eine besserer Nachtwächter-Rundgang – Quedlinburger kennen den Anblick der mit Lanze und Laterne aussstaffierten Führer, die Abend für Abend mit ihren Zuhörern durch die Gassen ziehen.
Für Klopstock hatte sich Gästeführer Thomas Loch als Carl Friedrich Cramer, den ersten Biografen des Quedlinburger Dichters, kostümiert. Cramer, ebenfalls in Quedlinburg geboren, veröffentlichte bereits 1791 eine Biografie über Klopstock – das zeigt, dass der Jubilar zu seiner Zeit ein literarischer Superstar war. Sein „Messias“ und seine Oden waren damals eine Sensation; Klopstock brachte Emotionen und ganz neue lyrische Formen in die Dichtung. Heutzutage kann man das beim Lesen seiner Werke kaum noch nachempfinden, aber er war der Wegbereiter für Goethe und andere klassische Geistesgrößen.
Dazu trug auch sein für damalige Verhältnisse sehr unkonventioneller Lebenswandel bei: Klopstock war sportlich und oft in der Natur unterwegs, schockierte mit Nacktschwimmen und Schlittschuhlaufen, und war dem Wein, den Frauen und generell den Freuden des Lebens durchaus zugetan.
Thomas Loch alias Cramer führte seine dreissig Zuhörer zum Platz der ehemaligen Schule des kleinen Friedrich Gottlieb Klopstock – und wie aus dem Nichts tauchte Reinhard Späte stilecht verkleidet als Vater des Dichters auf. Launig gab er einige Geschichte zum besten, empfahl sich und ging wieder seiner Wege.
Dieses Spiel wiederholte sich. Nacheinander traten seine beiden Frauen, seine Mutter und weitere Personen aus seinem Umfeld auf – gegen Ende natürlich auch der Held des Tages selbst. Und das an einem besonderen Ort: das Klopstock’sche Gartenhaus, neben dem Museum zur Schenkgasse hin gelegen, ist normalerweise nicht zugänglich. Aber zu diesem Anlass stand die Gartentür offen, und das Geburtstagskind kam den Besuchern wortgewaltig entgegen. Arnold Hofheinz, als einziger der Darsteller ein professioneller Schauspieler, deklamierte aus „seinen“ Werken und schaffte es mühelos, die Wort- und Sprachgewalt Klopstocks rüberzubringen. Man ahnte, wie der zu seiner Zeit auf sein Publikum gewirkt haben muss.
Danach wurde es gemütlich: Vorm Klopstockhaus sammeln sich die Darsteller für einen letzten, heftig beklatschten Auftritt, dann bat Doreen Klinger, die als Vertreterin der Stadt die Führung organisiert hatte, zum Wein. Der war ebenfalls speziell: Das Landesweingut Kloster Pforta hatte extra einen Weißburgunder als Klopstock-Wein abgefüllt. Brigitte Meixner vom Klopstock-Verein, die das Drehbuch des Rundgangs verfasst hatte, wurde extra geehrte und natürlich gab es noch ein fröhliches Gruppenfoto aller Darsteller.
Weitere Aufführungen dieser Führung werden folgen. Doreen Klinger: „Wir haben so viel Zeit und Mühe dafür verwendet, es wäre schade, dass bei einem einmaligen Auftritt zu belassen.“
Klopstock-Ehrung um 5 Uhr früh
Ein besonderer Moment war am nächsten Tag die Feier des „eigentlichen“ Geburtstages des Dichters. Ihm zu Ehren versammelten sich am 2. Juli morgens um fünf Uhr früh die wirklich harten Klopstock-Fans zu einem Weckruf auf dem Stiftsberg, um bei Sonnenaufgang des Dichters zu gedenken und ihn zu zitieren. Mit dabei – ganz privat, aber natürlich nicht unerkannt: Ministerpräsident Reiner Haseloff, ganz offensichtlich ebenfalls ein Klopstock-Verehrer.
Ein eher trauriger Aspekt der Klopstock-Festwoche: Das Denkmal im Brühlpark, früher eins der Vorzeige-Objekte Quedlinburgs, befindet sich immer noch in einem traurigen Zustand. Eingeweiht schon 1831, ist es stark renovierungsbedürftig, aber mit deren Finanzierung hapert es weiterhin. Und seitdem vor zwei Jahren die Dichter-Büste von Idioten stark beschädigt wurde, wartet die im Depot der Städtischen Sammlungen ebenfalls auf die Wiederherstellung. Die Stadt hat dafür Spendenkonten eingerichtet und hofft unter dem Stichwort „Spende Klopstock Denkmal“ auf Unterstützung durch die Bürgerschaft.
Der nächste Geburtstag kommt bestimmt, vielleicht klappt’s ja bis dahin.
—
Vergangene Woche gab es hier einen Überblick über die Sommer-Festivals im Harz
Davor war ich auf einer Motorradrunde von Thale nach Pullman-City.
Hier ging es an der Teufelsmauer entlang.
Und hier geht es zurück auf die Startseite.
—
Auf Instagram findet der Harzletter auch statt: www.instagram.com/harzletter.de/